CfP: Illuminierte Urkunden – von den Rändern zweier Disziplinen ins Herz der Digital Humanities

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Internationale Tagung, Wien, 12.-14.September 2016.

Illuminierte Urkunden, also Rechtsdokumente mit gezeichneter oder gemalter Dekoration, waren im gesamten Mittelalter ein zwar quantitativ innerhalb der Masse der gesamten Urkundenproduktion randständiges, doch häufig mit besonderer Feierlichkeit und Öffentlichkeitswirksamkeit verbundenes Phänomen von gesamteuropäischer Relevanz. Sie verlangen durch ihre ambivalente Stellung als Rechtsdokument und Kunstwerk zugleich von ihren Erforschern neben diplomatisch-hilfswissenschaftlichen Kompetenzen auch einen fachlichen Blick auf die künstlerische Gestaltung. Gerade das – im Unterschied zu oft nur näherungsweise zeitlich zu bestimmenden illuminierten Handschriften in der Regel gesicherte Ausstellungsdatum von Urkunden bietet der Buchmalereiforschung außerordentliche Chancen zur Datierung und Lokalisierung bemerkenswerter künstlerischer Produktion.

Doch während der dekorative Aspekt illuminierter Urkunden zumindest vom 19. Jahrhundert an bis in die Gegenwart dafür sorgte, dass entsprechende Objekte überproportional häufig in Ausstellungskatalogen präsent waren, blieb die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Gegenstand sowohl seitens der Diplomatik und Geschichtsforschung als auch der Buchmalereiforschung und Kunstgeschichte punktuell und in der Regel auf bestimmte Quellengruppe wie etwa Sammelindulgenzen oder Wappenbriefe beschränkt. Erst in den letzten Jahren ist man sich zunehmend der Vielschichtigkeit dieser Gattung und des mit ihrer Untersuchung  zu erzielenden Erkenntnisgewinns bewusst geworden. Zentrale Fragen sind u. a. der repräsentativen Funktion bemalter Urkunden und der Beteiligung von Aussteller und Empfänger/Auftraggeber am Dekorationsprozess zu widmen. Unter Berücksichtigung der weiten zeitlichen und topographischen Verbreitung der weltweit noch einer gründlichen Bestandserfassung harrenden Stücke ist das Verhältnis von Text und Bild und damit die performative Bedeutung illuminierter Urkunden jeweils neu zu bestimmen.

Im Zuge eines stetig anwachsenden Angebots an Online-Ressourcen von Archiven weltweit und entsprechender neuer Recherchestrategien und Analysefelder stellen Untersuchungen gerade zu illuminierten Urkunden ein attraktives Betätigungsfeld für die volle Bandbreite der Digital Humanities im Allgemeinen und der Digital Diplomatics im Besonderen dar. So ermöglicht die strukturierte Aufarbeitung und Archivierung des Dokumentbestandes unter Verwendung von Methoden und Techniken der Informationstechnologie eine konsistente Aufbewahrung der Forschungsdaten, die Vernetzung des Forschungsmaterials untereinander sowie mit externen Daten und eine bedarfsorientierte Visualisierung und Veröffentlichung der Forschungsergebnisse. Zusätzlich ermöglichen die Informationstechnologien den kollaborativen Aufbau von virtuellen, integrativen und interaktiven Forschungs- und Präsentationsumgebungen.

Die im Rahmen des am Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaft und dem Zentrum für Informationsmodellierung der Universität Graz durchgeführten FWF Projekts P26706-G 21 „Illuminierte Urkunden als Gesamtkunstwerk“ (http://illuminierte-urkunden.uni-graz.at) veranstaltete Tagung will der Vielschichtigkeit illuminierter Urkunden Rechnung tragen und die zahlreichen methodischen Ansätze, mit denen man sich ihnen nähern kann, bündeln. Die Tagung verortet sich im Schnittfeld von Diplomatik, Kunstgeschichte und Digital Humanities. Alle Einreichungen zum Thema Illuminierte Urkunden sind willkommen, mit Nachdruck sollten jedoch folgende Schwerpunkte und Themenfelder besonders berücksichtigt werden:

  • Die repräsentative, kommemorative bzw. mediale und performative Funktion bemalter Urkunden
  • Die von Fall zuFall unterschiedliche Beteiligung von Aussteller und Empfänger/Auftraggeber am Entstehungsprozess bzw. der Anfertigung des Dekors der Stücke
  • Illuminierte Urkunden aus den päpstlichen Kanzleien und aus dem Umfeld der Kurie (z. B. Sammelindulgenzen) bzw. Wappenbriefe aus der Reichskanzlei als Massenphänomene illuminierter Urkunden
  • Anwendung von Pattern Recognition Tools zur automatisierten Recherche illuminierter Urkunden in Datenbanken
  • Neue (statistische) Ansätze zur Erforschung der zeitlichen und regionalen Verbreitung verschiedener Typen von illuminierten Urkunden
  • Urkundliche Beglaubigungszeichen und graphische Symbole (besonders auch Notarssignete) in Urkunden als künstlerisches Problem
  • (Archiv-)Datenbanken zu illuminierten Urkunden und ähnlichen Objekten

Die Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch. Beiträge in anderen Sprachen sind mit den Organisatoren abzusprechen. Die Vorträge sollten etwa 30 min. lang sein. Senden Sie bitte ein Abstract mit maximal 300 Wörtern inkl. Ihrer Kurzbiographie (maximal 5 Zeilen) bis spätestens zum 30. März 2016 unter dem Betreff „Beitrag Tagung Illuminierte Urkunden“ an illuminierteurkunden@gmail.com. Für die Referentinnen und Referenten werden die Reise- und Übernachtungskosten  von den Veranstaltern übernommen.

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