Que Sera, DH? Ein Bericht von der DHd 2024 in Passau
Passau, wir schreiben das Jahr Zweitausendundvierzehn. Irgendwo fällt ein Bit vom Baum. Eine Geisteswissenschaftlerin bleibt verwundert stehen, hebt es auf und betrachtet es von allen Seiten – was lässt sich damit wohl alles anstellen?
Passau, 2024. Es hat sich eine Traube gebildet. Vereinzeltes Kopfschütteln, aber auch viel Zustimmung und Unterstützung. Getuschel, was hat man gemeinsam, wo liegen die Unterschiede? Hier und da ein Werkzeugkoffer, Brücken werden gebaut und erste Tests am unbekannten Untersuchungsobjekt durchgeführt. Begeisterung und Tatendrang liegen in der Luft. Sie nennen sich jetzt “Digital Humanists”. Naja, nicht alle. Aber viele – und es werden immer mehr. Wie geht es weiter (und war es wirklich genau so)?!
Quo Vadis
Gut, dass es RaDiHum20 gibt und wir somit nicht nur mit Unterhaltung für die teils sehr lange Bahnfahrt versorgt wurden, sondern auch der Erinnerung an die zurückliegenden Tagungen auf die Sprünge geholfen wurde (es gab übrigens auch ein strahlend schönes Poster). Parallel wurden die Tagungen 2014-2024 in einzelnen Beiträgen ausgewertet und analysiert: DHd Chronicles, Wer mit wem … und wo? Eine szientometrische Analyse der DHd-Abstracts 2014 – 2022 und Quo Vadis Fachbereiche und Schulen der DHd: Netzwerkanalyse der DHd Abstracts 2014-2023. In der Fishbowl wurde zudem viel diskutiert: Wer oder was ist DH, brauchen wir DH als Label, sind wir eine Disziplin? Was blieb über die Zeit bestehen, was ist gegangen und was kam neu dazu? Hilft uns die “Big Tent”-Metapher in der weiteren Ausdifferenzierung des Feldes – oder schadet sie womöglich sogar?
Diese Fragen sind nicht neu, müssen aber immer wieder neu gestellt und ausgehandelt werden. Letztlich geben auch die DHd-Jubiläums-Analysen Rückschluss auf einige der Punkte: DH ist, wer da ist (Patrick Sahle, damals noch über die blaue Brieftaube), aber eben insbesondere auch, wer wiederkommt und disziplinenübergreifend zusammenarbeitet. Insofern freute ich mich schon sehr auf das Wiedersehen mit vielen netten Kolleg:innen aus unterschiedlichen Kontexten (u.a. FH Potsdam, DHI Paris, BBAW/TELOTA bzw. allgemein #dhberlin) und den vergangenen DHd Konferenzen (z.B. mit Nadine Sutor, die schon 2020 im Blogpost „Ich kenn‘ dich von Twitter“ // #DHd2020 über unser Kennenlernen berichtete – wie gesagt, seitdem ist viel passiert in der (Social Media) Welt) und natürlich auch auf viele erste Begegnungen.
KI und neue Realitäten
Wie zu erwarten, waren KI und speziell LLMs eines der vorherrschenden Themen auf der DHd 2024 (sicher auch vor dem Hintergrund der neu gegründeten AGKI-DH). Gefreut hat mich, dass das Thema ganz unterschiedlich behandelt und auch kontrovers diskutiert wurde. Hier fehlt mir manchmal noch die kritische Auseinandersetzung, im Sinne einer “Kritik der digitalen Vernunft”. Nennenswert fand ich den Vortrag Vertrauen in die Wirklichkeit – AI, Trust und Reliability in den Digital Humanities, bei dem u.a. die Bedeutung, Erzeugung und Erkennung von Abbildern bzw. Fälschungen im Bereich des Kulturerbes thematisiert wurden. Auch bei uns an der Staatsbibliothek wurde im letzten Jahr ein Referat Data Science gegründet, in dem wir uns innerhalb verschiedener Projekte mit Künstlicher Intelligenz bzw. Maschinellem Lernen befassen – z.B. im aktuell laufenden Projekt Mensch.Maschine.Kultur. Mit Konstantin Baierer waren wir im Kontext von OCR-D vertreten (in den Workshops Edierst Du noch oder trainierst Du schon? Forschungsdaten als Grundlage von Trainingsdaten für die automatische Texterkennung sowie Das richtige Tool für die Volltextdigitalisierung). Zusätzlich konnte ich vielfältige Inspirationen sammeln, was über die bereits bei uns entwickelten Maschinellen Lernverfahren (z.B. für Named Entity Recognition und Linking oder Bildähnlichkeitssuche) hinaus noch alles mit den historischen Werken und Zeitschriften in unserem Bestand (z.B. aus den Digitalisierten Sammlungen oder dem Zeitungsinformationssystem ZEFYS) möglich ist.
The future’s not ours to see
Zum Glück hatten wir aber im Posterslam Besuch aus der Zukunft (s.a. das Poster „Roads? Where we’re going, we don’t need roads.“ Die Zukunft des Publizierens). Letztlich geht es im Kern wohl darum, experimentelle Ansätze und Fragestellungen auszutesten, mehr aus dem Bekannten auszubrechen und sich auf unsicheres Terrain zu wagen – Scheitern gehört dazu. Innovation und entsprechende Hürden können dann z.B. schon bei der Datensammlung entstehen, wie etwa im Vortrag „Da schunklet älli mit“ – Sammlung und Erforschung dezentraler Kulturdaten der schwäbisch-alemannischen Kneipenfastnacht des Doctoral Consortiums anschaulich dargelegt wurde. Ein noch relativ junges DH-Thema sind zudem die Digital bzw. Computational Games Studies, welche auf der diesjährigen DHd vergleichsweise stark vertreten waren (z.B. mit der AG Spiele oder den Vorträgen Katalog und Textkorpus zu Diskettenmagazinen der 1980er und 1990er (Re-)Digitalisierung frühen digitalen Kulturerbes sowie Computational Game Studies? Drei Annäherungsperspektiven). Während ich mich über diese Entwicklungen sehr freue, frage ich mich, wie wir ganz allgemein noch unbekannte, aber potentiell relevante Forschungsbereiche erschließen und mehr bestehende Vertreter:innen unterrepräsentierter Bereiche für die DH begeistern können. Auch das schien mir ein wichtiges Thema auf der DHd 2024 gewesen zu (u.a. „Digital Humanities interessieren uns nicht, das haben wir schon ausgeforscht“ – Resonanz der DH am Beispiel der Theologie) und wird uns wohl noch weiter beschäftigen – gerade mit Ausblick auf die nächsten 10 Jahre Digital Humanities im deutschsprachigen Raum.
Passau, 2034. To be continued…
Erfahrungsbericht DHd2024- Passau - DH Regensburg
[…] die Reisekosten erstattet bekommen und dafür im Nachhinein von ihren Erfahrungen berichten (z.B. hier im Bericht von Sophie […]