„Ich kenn‘ dich von Twitter“ // #DHd2020

2 Veröffentlicht von Nadine Sutor am

Nadine Sutor (27), Bergische Universität Wuppertal (MA Editions- und Dokumentwissenschaft)

Montag. 12.15 h. Grade registriert. Geschenk: Beutel, Stift und Block. Zu perfekt für manche. Kaffee? Noch etwas warten. 12.30 h. Bedient euch! Imbiss: Süßes, Herzhaftes, Gesundes – #Gönnjamin. Ankommen. Zurechtfinden. Wo findet mein Workshop statt? Genug Zeit. Genug Zeit um das Umhängeschild gefühlt 457.938.290 x umzudrehen, damit der zu klein gedruckte Name sichtbar bleibt.

Ich stand mit meinen Kommilitonen Randi Tank und Malte Windrath an einem der Stehtische. Austausch. Warum waren wir hier? Was erhofften wir uns? Ich merkte, wie ich gedanklich abschweifte. Nicht mehr ganz zuhörte. Lächelte und nickte in der Hoffnung es richtig verstanden zu haben. Stattdessen richtete sich mein Blick auf die Eingangstür. Gebäude Q, Haupteingang. Hell. Sauber. Neu? Glasfassade. Nicht wie Wuppertal. In freudiger Erwartung darüber, welche Big Player der DH-Community hereintraten. Academics, von denen ich schon etwas gelesen hatte und ungefähr weiß, was ihr Spezialgebiet ist. Wer machte sich von wo aus auf den Weg nach Paderborn? Wer hält einen Vortrag? Wer ist in ein Panel involviert? Wer leitet einen Workshop? Klar, einfach das Programm lesen. Trotzdem war ich aufgeregt. Ich hatte den Eindruck, viele TeilnehmerInnen kennen sich bereits, arbeiten sogar zusammen, sind gut miteinander vernetzt, befreundet und sonst voll auf einer Wellenlänge. Das hätte ich auch gerne. Einfach ansprechen und sich vorstellen? JA! Aber eins nach dem anderen. Vorher noch einen Kaffee ..

Es hat nicht lange gedauert. Da hat Jemand seinen ganzen Mut zusammen genommen. So mein Gedanke im Nachhinein. Mir (MIR!) wurde die Hand gereicht. „Hey .. Ich kenn‘ dich von Twitter.“ WOW. Meine Reaktion. Ich hätte sie gerne selbst gesehen. So von außen. Gut schmunzeln musste ich. Und ein wenig lachen. Sophie Schneider (@BibWiss) aus Berlin stellte sich mit diesen Worten vor. DAS kam überraschend. Es schmeichelte mir. Leider fiel mir in diesem Moment nicht ein, wer sie war. Konnte sie nicht zuordnen. Peinlo. Gut, dass sie mir Kontext gab und noch mehr von sich erzählte. Zur Not musste ich nur die App mit dem Vogel öffnen. Wie ich feststellte hatten wir uns beide abonniert .. warm up.

Wir (Sophie, Randi, Malte und ich) verbrachten die komplette Woche zusammen. Was mich sehr freute: Es kam zu einem Wiedersehen mit Selina Foltinek (@SFoltinek) aus Bayreuth. Wir lernten uns vergangenen Oktober bei der Summer School in Mainz kennen. Kurz vor knapp erreichte sie Workshop 4, organisiert von Mareike Schumacher (@M_K_Schumacher) und Jan Horstmann (@JanHorstmannn) von der Universität Hamburg. Mit CATMA 6 annotierten wir in Partnerarbeit erfolgreich (!) Kafkas „Erstes Leid“. Erzählte, zitierte, transponierte Rede? 17 Uhr. Schluss für heute. Das ging schnell. Vielleicht bewusst so geplant um smooth in die Tagung reinzukommen.

Schon vor der Tagung wurde mir klar, dass die #digitalhumanities eine lebhafte #community haben, die sich nicht nur in Verbänden, Zentren, AG’s, Stammtischen und Professuren ausdrückt, sondern ihr Potenzial auch und vor allem im digitalen Medium, Stichwort #socialmedia sieht. Sowohl die Institutionen selbst als auch die dort aktiven Akteure profitieren von der Vernetzung im World Wide Web, sind dort in verschiedenen Formen präsent. Man könnte ahnen auf welches #medium ich hier anspiele. Wie ich aus eigener Erfahrung immer wieder feststelle, erhält man über den Mikroblogging-Dienst Twitter[1] (hat übrigens selbst einen Account @Twitter, wie überraschend) kurz und prägnant News über das, was in der Welt passiert. Der content abhängig von der bubble, in der man sich befindet. Und in der man sich wohlfühlt, natürlich.
Dass diese Filterblase problematisch ist und immer noch kontrovers diskutiert wird, Stichwort: Abschottung, erläuterten Dennis Demmer (@DemmerDennis) und Jürgen Hermes (@spinfocl) einleitend bei ihrer Vorstellung der selbst entwickelten Software autoChirp (@auto_chirp), mit der tabellarische Daten hochgeladen und automatisch auf spezifizierte Veröffentlichungszeitpunkte gesetzt werden können.[2]

Spaß mit Torsten Roeder. #like

Für ein Twitterexperiment[3] übernahm Dennis zeitweise den offiziellen Account des DHd-Verbandes (@DHDInfo) um autoChirp zu testen, erkennbar an #autoChirp. Mit Dennis, den ich während einer zweiwöchigen Hospitation am Cologne Center for eHumanities (CCeH (@CCeHum)) im Juli 2019 kennenlernte, verbrachte ich den Mittwochabend mit Wein und Snacks im Rathaus. In übersichtlicher Personenzahl und entspannter Atmosphäre nahmen wir unsere Urkunden plus Trinkbecher, sponsored by @unipb entgegen. Dennis erhielt eine Auszeichnung für autoChirp, eingereicht unter dem Thema „Public Humanities Tools: Der Bedarf an niederschwelligen Services“. Ich durfte mich als Studierende über eine Urkunde freuen. Ein gemeinsames Foto mit Michael Dreier, dem Bürgermeister, ließen wir uns zum feierlichen Abschluss nicht nehmen. Gemeinsam mit den anderen DH’lerInnen aus Köln (neben CCeH auch IDH (@IdhTweets) und DCH (@dch_cologne)) verbrachten wir den Rest des Abends in der „Tuba“. #socialevent. #beer.

Mir bringt meine stetig wachsende DH-Twitter-Bubble sehr viel! Durch die konkret ausgewählten Informationen der abonnierten User bleibe ich nicht nur bzgl. neuer Termine (Schools? Workshops? Konferenzen?) up to date, sondern erkenne auch welche Institution in welcher Disziplin mit welchen Forschungsschwerpunkten und Projekten angesiedelt ist und welche Entwicklungen sie durchlaufen. Mit dem Wissen darüber, einer ausführlichen Lektüre des Programms und selbst erstelltem Timetable bin ich in meine erste Tagung reingegangen. Der Plan: Meine Abonnenten f2f treffen, sich vorstellen, sprechen, diskutieren, networken. „Ich kenn‘ dich von Twitter!“

Das hat gut geklappt, hätte aber noch besser laufen können. Sowohl bei der Postersession als auch anderswo: Mareike Schumacher, Georg Vogeler (@GVogeler) + Martina Scholger (@MartinaScholger), beide Graz, Alex Czmiel (@alexczmiel), Berlin, Torsten Roeder (@torstenroeder), Halle, Peter Stadler (@ps_tadler, danke für die Sticker) Paderborn und @wpippich aus München. Um nur einige zu nennen. Leider hat die Zeit nicht ganz gereicht. @umblaetterer, @peertrilcke und @felwert müssen sich noch gedulden (bzw. ich mich). #dhd2021.

Ich selbst habe durchgehend getwittert. Herausgekommen ist ein #blackwhite-Thread. Gelegentlich hat sich ein buntes Bild eingeschlichen. Meine Woche auf der #DHd2020 ist also virtuell nachvollziehbar. Scheinbar war ich so überzeugend, dass ich Ben Sulzbacher (seit kurzem @Ben_Slzbchr) am vorletzten Tag dazu bringen konnte, sich einen Account anzulegen. Er reiste nach Paderborn, um zusammen mit Julia Nantke (@JuliaNantke) und Nils Reiter (@nilsreiter) sein erstes Panel zum Thema „Intertextualität“ durchzuführen. Er war aufgeregt.Mehrstufige Annotation literarischer Intertextualität jenseits der Textoberfläche“. Aber das merkte man ihm nicht an. Ab nächster Woche arbeiten wir wieder gemeinsam im Büro. Als Forschungsstudierende des Graduiertenkollegs „Dokument – Text – Edition“ (@Grk2196) der Uni Wuppertal.

Zurück zum #reallife. Erstmals konnte ich die Atmosphäre, das Flair so einer Tagung miterleben. Den DH-Spirit! Wie ich schnell begriff spielen die Social Events eine große Rolle. Als Ausgleich zum offiziellen Tagungsprogramm würde ich das nicht bezeichnen. Derartige Veranstaltungen runden die Konferenz ab, ergänzen sie und lassen den Standort für das, was er kulturell und wissenschaftlich steht, zur Geltung kommen (Wie cool ist bitte eine Physikshow?). Social Events anderer Art, eher so abends um das brain wieder neu zu kalibrieren, sind ebenso wichtig. Sich mitteilen, Standpunkte erläutern, diskutieren und nach 3 – 5 Bier philosophieren.

Ich habe DH nicht studiert. Halbe Quereinsteigerin. Mit meinem Masterstudium der Editions- und Dokumentwissenschaft, den integrierten philologischen und medientechnologischen Profilen habe ich jedoch gute Voraussetzungen, um das Forschungsfeld der Digital Humanities als Brückenfach zwischen der Informatik und den Geisteswissenschaften schnell zu begreifen und zu kontextualisieren. Als beginner bin ich vor allem an praktischen Umsetzungen interessiert. Welche computergestützten Verfahren gibt es und für welchen Zweck eignet sich welche Technologie am besten? Besonders aufschlussreich war in diesem Zusammenhang der Erfahrungsbericht zur „Digitalen Edition der Protokolle des Bayerischen Ministerrats.“[4] Sowohl die konkret formulierten Fragestellungen und Anforderungen, die die Editionsrichtlinien einerseits und die Arbeitsschritte in der Praxis andererseits, wie auch die verwendeten Werkzeuge betreffen, waren interessant, die Synthese beider Komponenten, Theorie und Praxis nachvollziehbar. Dank meiner Vorkenntnisse aus dem Studium und der in meiner Masterarbeit eingesetzten Technologien war der Vortrag für mich durchweg verständlich, der rote Faden stets erkennbar. oXygen als Arbeitsumgebung, Verwendung diverser X-Technologien (XML/TEI, XPath, XSLT, CSS). Daily Business auch in meinem Projekt: Eine virtuelle Rekonstruktion einer mittelalterlichen Bibliothek aus METS/MODS-Metadaten. Transformation nach TEI, <msDesc> + ODD, TEI-Publisher, eXist-db, IIIF, dies das. Umso interessanter ist die Verwendung in anderen Kontexten und die Aufdeckung weiterer Herausforderungen und Problemstellungen

Dennoch fehlt mir etwas. Die Theoriebildung. Und die Reflexion über das, was ich da eigentlich mache. Die Dinge befragen, in Beziehung zueinander setzen, zu kontextualisieren. Das nötige Handwerkszeug zum Diskutieren. Zum Streitgespräch. Noch bin ich dabei alles aufzunehmen, zu verstehen, zu differenzieren und zu evaluieren. Was gibt es noch? Was verstehe ich bereits und was kann ich für mich wie einordnen? Muss ich das verstehen? Interessiert mich das überhaupt? Mir fehlt noch die nötige Profilierung. Aber welcher Ort eignet sich dafür besser als eine Konferenz? Ich bin offen in die Tagung reingegangen, habe mir einiges vorgenommen, vieles geplant, mich aber auch überraschen lassen. Flexibilität. Spontanität. Am Ende war es eine gute Mischung. Hatte ich Erwartungen? Ja. Sowohl an mich selbst als auch an die fünf Tage in Ostwestfalen. Und ich bin zufrieden. Mit allem. Ich bin dankbar, dabei gewesen zu sein. Dankbar für das Reisestipendium, das mir die Teilnahme an dieser ereignisreichen Woche aus Workshops, Vorträgen, einem tollen Posterslam mit anschließender Postersession, fruchtbaren Gesprächen, neuen Kontakten und einfach guter Laune ermöglicht hat. Ich bin erschöpft. Es war viel. Für den Anfang sicher normal. Und auch gut so. Denn es zeigt irgendwo auch das eigene Engagement, das alles verstehen und aufnehmen zu wollen! Ob man jemals Routine in so etwas bekommt? Ich weiß es nicht.

Sophie Schneider aus Berlin werde ich in wenigen Tagen wiedersehen. Die Brandenburgische Akademie der Wissenschaft (@bbaw_dh) veranstaltet vom 9.- 11.3.2020 einen Entwicklerworkshop zu ediarum (@telotadh). Im Sommer gehe ich als Intern[5] für drei Monate nach Wien zu Georg Vogeler am Austrian Center for Digital Humanities and Cultural Heritage (@ACDH_OeAW ) und NER / Prosopographie.

Ich freue mich auf alles was noch kommt!

Hier geht’s zum vollständigen Thread


[1] In meinem Blogpost soll Twitter nicht beworben oder in den Himmel gelobt werden. Vielmehr geht es darum aufzuzeigen, wie ertragreich dieses Medium sowohl vor als auch während der Konferenz für mich war und immer noch ist.

[2] autoChirp. Webservice für die Durchführung von TwHistory-Projekten. Erstellt am: 14. März 2018, zuletzt geändert am: 26. Februar 2019. Online verfügbar unter: http://dh.phil-fak.uni-koeln.de/forschung/autochirp. Zuletzt geprüft am 6.3.2020.

[3] Test von autoChirp auf Twitter während der #DHd2020. Online verfügbar unter: https://twitter.com/DHDInfo/status/1234735256730820608. Zuletzt geprüft am 7.3.2020.

[4] Die Protokolle des Bayerischen Ministerrats 1945-1962 Online. Eine historisch-kritische Quellenedition der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Online verfügbar unter: http://www.bayerischer-ministerrat.de/. Zuletzt geprüft am 6.3.2020.

[5] Auf das Internship, bzw. die Bewerbung bin ich (natürlich) durch Twitter aufmerksam geworden. Der Account des Austrian Center for DigitalHumanities and Cultural Heritage(@ACDH_OeAW) veröffentlichte im November letzten Jahres einen Tweet mit Link zum Bewerbungsformular.

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    Reisestipendiatinnen und -stipendiaten der DHd 2020 – Übersicht und Beiträge | DHd-Blog

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    […] Nadine Sutor (Bergische Universität Wuppertal) – @da_vinci1992„Ich kenn‘ Dich von Twitter“ // #DHd2020, in: DHd-Blog, 12.3.2020, https://dhd-blog.org/?p=13148. […]

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    Que Sera, DH? Ein Bericht von der DHd 2024 in Passau | DHd-Blog

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    […] #dhberlin) und den vergangenen DHd Konferenzen (z.B. mit Nadine Sutor, die schon 2020 im Blogpost „Ich kenn‘ dich von Twitter“ // #DHd2020 über unser Kennenlernen berichtete – wie gesagt, seitdem ist viel passiert in der (Social […]

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