„Die Fragestellungen, die mich am meisten interessieren, zielen meistens auf quantitative Aspekte ab“ – Mareike Schumachers Weg in die Forschung
Eine Karriere in der Wissenschaft? Zu unsicher, zu kompetitiv, denken viele Studierende. Besonders in stark interdisziplinären Fächern wie den Digital Humanities kommt der Zweifel über die eigenen Fähigkeiten hinzu: Kenne ich mich wirklich gut genug in meinen Fachgebieten aus? Und wie komme ich eigentlich in die Forschung? Fragen, die auch mich als Erstsemester der Digital Humanities an der Universität Bamberg umtreiben. Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, habe ich über Zoom einige Interviews mit Wissenschaftler:innen am Rande der DHd2022 über ihren Weg in die Forschung geführt, die nun hier im DHd-Blog gepostet werden. Die Interviews sind zugleich mein Medienbeitrag als Reisestipendiat der DHd.
Dies ist das erste Interview der Reihe und wurde am 10.03.2022 geführt.
Wie bist Du bei den Digital Humanities gelandet?
Ich bin eigentlich ganz klassisch ausgebildete Kultur- und Literaturwissenschaftlerin. Ich habe im Bachelor komplett „undigital“ Kulturwissenschaften in Lüneburg studiert und bin dann für den Master nach Hamburg. Im Master habe ich dann relativ spät, im 3. oder 4. Semester, mein erstes Seminar mit digitalen Methoden belegt und habe dann als studentische Hilfskraft bei der DHd2012 das erste Mal Kontakt gehabt zu der Digital Humanities-Community. In meiner Doktorarbeit habe ich dann auch digitale Methoden verwendet. Da war bei mir aber auch ganz viel autodidaktisches Ausprobieren dabei, und zum Glück ist die DH-Community ja eine sehr offene Community, in die man sehr schnell hineinfindet.
Was gefällt Dir am meisten an der Arbeit in der Forschung? Siehst Du auch Nachteile im Vergleich zur freien Wirtschaft?
Ich habe vor meinem Studium eine Ausbildung zur Buchhändlerin gemacht und habe auch eine ganze Zeit lang im Einzelhandel gearbeitet. Die Forschung ist natürlich eine sehr freie Form der Arbeit. Man hat das Privileg, sich mit Dingen zu beschäftigen, die einen so richtig interessieren. Ein großer Faktor ist meiner Meinung nach wie gesagt auch, dass die Community sehr offen ist. Außerdem fasziniert mich, dass man bei jedem Projekt mindestens zwei Perspektiven hat – es gibt immer jemanden, der inhaltlich am Thema interessiert ist, und jemanden, der eher einen Softwareblick hat und sagen kann, wie man das operationalisieren könnte. Klar, es ist ein sehr kompetitives Feld, es gibt Befristungen und das System ist nicht immer sehr angenehm, aber für mich überwiegen klar die Vorteile.
Was fasziniert Dich an Deinem Forschungsgebiet am meisten?
Gerade in den Kulturwissenschaften hat man einen sehr weiten Blick. Man betrachtet Phänomene sehr vielfältig, sehr komplex und ein bisschen zerfasert. Was ich hier bei den Digital Humanities interessant finde, ist die Komplexität im Auge zu behalten, aber mit einer gewissen Pragmatik im Hinblick auf Operationalisierung schauen zu können, wie man diese Phänomene zu fassen bekommt. Ich selbst beschäftige mich viel mit literarischem Raum. Sobald man versucht, der Software zu erklären, was man meint, damit sie die Phänomene automatisch erkennen kann, merkt man, dass das noch nicht genug ausdifferenziert ist. Man wird dadurch ein bisschen gezwungen, sehr sorgfältig, sehr genau zu arbeiten und kann diese Konzepte nachschärfen. Außerdem fehlt mir in den klassischen Literaturwissenschaften häufig der quantitative Blick. Die Fragestellungen, die mir in den Sinn kommen und mich am meisten interessieren, zielen meistens irgendwie auf quantitative Aspekte ab.
Woran arbeitest Du im Moment oder was ist Dein nächstes Projekt?
Ich arbeite an der TU Darmstadt inzwischen an einem Disseminationsprojekt namens forTEXT. Wir haben es uns da zur Aufgabe gemacht, zwischen traditionellen und digitalen Literaturwissenschaften zu vermitteln und Leuten mit Interesse für DH-Methoden den Einstieg zu erleichtern. Das andere große Projekt ist die Publikation meiner Dissertation, die ich im letzten Jahr eingereicht und verteidigt habe. Dann habe ich noch ein Nebenprojekt mit einer Kollegin zusammen aus Hamburg, Marie Flüh, da geht’s um Genderstereotype und Emotionen in der Literatur im Wandel der Zeit vom 18. – 21. Jahrhundert.
Mareike Schumacher ist promovierte Literaturwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Digital Humanities und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sprach- und Literaturwissenschaften der Technischen Universität Darmstadt. Auf der DHd2022 war sie am Workshop „GitMA oder CATMA für Fortgeschrittene“ beteiligt und hielt den Vortrag „‘Wie Wölkchen im Morgenlicht‘ – zur automatisierten Metaphern-Erkennung und der Datenbank literarischer Raummetaphern laRa“.
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