Das zugängliche Archiv: Geschichtliche Familienforschung als digitale Bürgerwissenschaft
Tagung Halle (Saale),
3.-5.4.2020
Ort: Steintorcampus – Emil-Abderhalden-Str. 25-27, 06108 Halle
Beschreibung
Die Tagung an der Universität Halle wird anlässlich des dreißigjährigen Bestehens der größten bürgerwissenschaftlichen Vereinigung im Bereich der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft angeboten, des Vereins für Computergenealogie, sowie des zehn- bzw. fünfjährigen Bestehens der Online-Kirchenbuchportale des überkonfessionellen Archivverbunds Icarus (Matricula) und der Evangelischen Kirche (Archion).
Die Tagung soll die Arbeitsbereiche von Archiv, Digital Humanities, Bürgerwissenschaft (Citizen Science) und historischer Kulturwissenschaft zusammenbringen. Sie soll zugleich den Kontakt zwischen privat motivierter geschichtlicher Familienforschung zur Ortsgeschichte und zur sozialwissenschaftlichen Biographieforschung (klassisch etwa der BOLSA-Studie) eröffnen und setzt die Arbeit des Arbeitskreises Historische Demographie in neuer Form fort.
Wir gehen aus von der Beobachtung, dass die Masse der Archivbenutzer(innen) nicht aus studierten Historiker(inne)n besteht, sondern aus Menschen, die aus privatem Interesse die Biographie einzelner Personen und Familien erforschen. In den letzten Jahrzehnten hat sich die privat motivierte Praxis der „Ahnenforschung“ in weiten Bereichen zu einer kooperativen, digitalen Praxis der „Computergenealogie“ gewandelt. Über Crowdsourcing-Projekte ist die Computergenealogie zu einem gewichtigen Partner der Archive geworden und generiert Massendaten von hohem historisch-sozialwissenschaftlichem Interesse.
Das Format der Tagung verbindet unterschiedliche Angebote, die sich an ein Publikum aus privaten Familienforscher(inne)n, an Ortsgeschichte interessierten Menschen, Fachhistoriker(inne)n und Ethnolog(inn)en, Archivar(inn)en und Informatiker(inne)n richten. Daher werden unterschiedliche Formate angeboten, von der Schulung in der virtuellen Forschungsumgebung FuD über Vorträge und Diskussionen bis hin zum Barcamp zu laufenden Crowdsourcing-Projekten.
Eine Online-Anmeldung unter https://vo.genealogy.net/CompGen/?veranstaltunganmelden=632 ist zu Zwecken der Raumplanung bis zum 15.3.2020 erbeten (bei der Anmeldung bitte ca. 30 Sekunden Geduld; bei Fragen zur Anmeldung bitte E-Mail an ireinhardt@compgen.de).
Veranstalter und Jubilare:
- Archion GmbH (Kirchenbuchportal der Evangelischen Kirche in Deutschland, anlässlich seines 5jährigen Bestehens)
- International Centre for Archival Research ICARUS (anlässlich des 10jährigen Bestehens des Kirchenbuchportals Matricula)
- CompGen e.V. (Verein für Computergenealogie, anlässlich seines 30jährigen Bestehens)
Mitveranstalter:
- Institut für Geschichte der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Prof. Dr. Georg Fertig)
- Deutsches Historisches Institut London (Prof. Dr. Christina von Hodenberg)
- Historisches Datenzentrum Sachsen-Anhalt, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Dr. Katrin Moeller)
- Arbeitskreis Historische Demographie
- Hallische Familienforscher Ekkehard (Altbischof Prof. Axel Noack)
- Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e.V.
Programm:
Das Programm beginnt mit einem Vortagesprogramm zum Auftakt am Freitag. Es folgen ein in vier Zweige gegliedertes Hauptprogramm am Sonnabend, ein Festabend sowie die Mitgliederversammlung von CompGen am Sonntag. Für Details zum Hauptprogramm bitte den Links zu den vier Zweigen folgen.
Link zum Programm: https://www.compgen.de/das-zugaengliche-archiv/
Vortagesprogramm (Freitag, 3.4.2020)
Führungen:
- 14:30 – 15:30 Himmelsscheibe von Nebra im Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte (Eintritt vor Ort)
- 14:30 – 16:30 Marienbibliothek und Schulzeugnis-Sammlung der Franckeschen Stiftungen (Führung angeboten von: Hallische Familienforscher „Ekkehard“ e.V., Treffpunkt: An der Marienkirche 1, 06108 Halle)
- 15:00 – 17:00 Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Deutsche Zentralstelle für Genealogie
16:30 – 18:00 Open Data für die Ortsgeschichte (Susanne Nicola, Ingrid Reinhardt, Horst Reinhardt, Dr. Jesper Zedlitz, Dr. Katrin Moeller, Ort: Steintorcampus)
19:00 – 24:00 Gemütlicher Abend: Nur mit Anmeldung für Selbstzahler
Hauptprogramm (Sonnabend, 4.4.2020)
10:00 – 10:30 Begrüßung durch Veranstalter(innen), Universität und Stadt.
Erster Zweig: Die Schulung
Schulung in FuD – Forschungsnetzwerk und Datenbanksystem (virtuelle Forschungsumgebung für die Geistes- und Sozialwissenschaften), Computerpool SR 15 (Emil-Abderhalden-Str. 25), Veranstaltung im Rahmen des Programms „Heimatforscher. Qualifizierung von Engagierten“, Dozentin: Marina Lemaire, Servicecentrum eScience Universität Trier, organisiert vom Datenzentrum Sachsen-Anhalt am Institut für Geschichte der MLU und Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e.V.
- 10:00 – 13:00: Gruppe 1: Ortschronist(inn)en aus Sachsen-Anhalt (ausgebucht)
- 14:00 – 17:00: Gruppe 2: Genealog(inn)en
Zweiter Zweig: Die Vorträge
- 14:00 – 14:30 Prof. Dr. Ernst Hafen: DNA-Genealogie im Spannungsfeld zwischen Kommerz und Gesundheit
- 14:30 – 15:00 Dr. Herbert Wurster: Matricula – traditionelle Erschließung, Internet und neue Forschungsmöglichkeiten
- 15:00 – 15:30 Mag. Dr. Günter Mühlberger: Transkribus, oder wie sich die automatisierte Handschriftenerkennung für familiengeschichtliche Forschungen nützen lässt
Pause
- 16:00 – 16:30 Harald Müller-Baur: 5 Jahre Archion
- 16:30 – 17:00 Dr. Günter Junkers: 30 Jahre Verein für Computergenealogie
- 17:00 – 17:30 Kristina Ruppel: Wegwerfen, Ordnen, Bewahren: Der private Nachlass aus Sicht des Archivs
17:00 – 18:00 Festveranstaltung zum Launch des Digitalen Archivs der Bonner Längsschnittstudie des Alterns (BOLSA). Öffentlicher Vortrag in diesem Rahmen:
- Prof. Dr. Christina von Hodenberg (DHI London): Das Potential der BOLSA für die Familiengeschichte Deutschlands nach 1945
Dritter Zweig: Die Diskussionen
10:45 – 12:30 Historisch-anthropologische Session: Doing kinship, finding kin
- Prof. Dr. Elisabeth Timm (Institut für Kulturanthropologie / Europäische Ethnologie, Münster): Verification by serendipity. How genealogists transform archival heritage
- Fenella Cannell, PhD (London School of Economics): Kinship as Plot. Doing Genealogy in ‘Religious’ and ‘Secular’ Settings
- Inna Leykin, PhD (The Open University of Israel, Ra’anana): ‘Who do you think you are’: Genealogical imagination in contemporary Russia
- Patrick Heady, PhD (MPI for Social Anthropology, Halle), ‘Patterned Relationships’: a cognitive approach to the observable co-variation of terminology, genealogical awareness, and mutual involvement in European kinship practice
Zentrales Thema dieser englischsprachigen, fachlich in der Ethnologie und Soziologie angesiedelten Diskussionsrunde ist die Frage nach der Vielfältigkeit von Motiven, durch genealogische Praktiken Verwandtschaft zu stiften, im Vergleich mehrerer Kulturen und unterschiedlicher sozialer Milieus.
14:00 – 15:30 Familienforschung für die Familie
- Genealogie in der Jackentasche: Familienforschung mit Spielkarten haptisch präsentieren (Torsten Wehlmann, Projekt Altes Leipzig)
- Wilde Jugend? Biografien von Jugendlichen des 19./20. Jahrhunderts als Schüler(innen)projekt (Dr. Katrin Moeller, Historisches Datenzentrum Sachsen-Anhalt, Halle)
- Archivpädagogik für die ganze Familie (Dr. Jens Murken, Bielefeld)
Familienforschung wird von vielen in der Hoffnung betrieben, nicht nur den Menschen näherzukommen, die uns und unsere Vorfahren in der Vergangenheit geprägt haben, sondern auch, dieses Wissen an die nächste Generation weiterzugeben. In dieser Runde sollen drei Ansätze vorgestellt werden, wie dies gelingen kann: In der pädagogischen Arbeit von Archiven, in einem Schulprojekt, und im genealogischen Familienspiel.
16:00 – 17:30 Podiumsdiskussion: Was ist unser Wissen wert? Historische Personen- und Familienforschung zwischen Open Data und Big Business. Diskussionsleitung: Hans-Christian Scherzer (CompGen e.V.)
- Dr. Thomas Aigner (ICARUS, St. Pölten)
- Dr. Isabelle Bartram (Gen-ethisches Netzwerk, Berlin)
- Renate Ell (CompGen e.V.)
- Prof. Dr. Ernst Hafen (ETH Zürich / Datengenossenschaft MIDATA, Basel)
- Lars Thiele (Berufsgenealoge / Archivbegleiter, Dresden)
- Dr. Jesper Zedlitz (CompGen e.V. und Ministerium für Digitalisierung Schleswig-Holstein, Kiel)
In der Podiumsdiskussion geht es um die unterschiedlichen
Organisationsformen, die zwischen zwei Extremen liegen: hier der/die einsam auf
Papier nur den persönlichen Interessen nachgehende traditionelle Genealoge/in,
dort die großen kommerziellen Big-Data- und DNA-Firmen.
Wir erleben eine Explosion des Wissens über konkrete Personen und ihre Familien
in der Vergangenheit, stammend sowohl aus den klassischen (Papier‑)Archiven als
auch aus dem „Körper“-Archiv in unserer DNA. Wie soll dieses Wissen
bewirtschaftet werden? Welche Kosten und Risiken (finanzieller und
gesellschaftlicher Art) wollen wir für dieses Wissen aufbringen – was wollen
wir überhaupt wissen und was nicht? Was macht Wissen mit uns und anderen? Wer
kann für die Qualität von genealogischem Wissen und für den dafür (in Geld,
Zeit, vielleicht auch: Verlust an Privatheit) zu zahlenden Preis einstehen:
Staatliche und kirchliche Archive, große genealogische Firmen, Verbände der
Archivnutzer(innen), Berufsgenealog(inn)en – oder ganz neue Modelle wie
Datengenossenschaften und Kooperationen zwischen Archiv, Digital Humanities und
Wirtschaft?
Vierter Zweig: Das Barcamp und der Workshop
10:45 – 12:30 (mit Fortsetzung am Nachmittag nach Bedarf): Archivpraktisches Barcamp: Neue Wege der Datenerschließung
Erfassungsprojekte innerhalb und außerhalb von CompGen entwickeln sich rasch. Das Barcamp soll die Gelegenheit bieten, möglichst viele Organisator(inn)en solcher Projekte zusammenzubringen und ihre Vorhaben und Zugangsweisen untereinander diskutieren zu lassen, aber auch die einzelnen Projekte potentiellen Mitmacher(inne)n vorzustellen. Wir schlagen drei Schwerpunkte vor:
- Lokale Time Machine-Projekte
- Daten-Eingabe-System- (DES-)Projekte
- Die Anderen und wir – neue Kooperationsmöglichkeiten
10:45 – 11:45: Workshop: Ortschroniken digital
Der Workshop richtet sich an BürgerwissenschaftlerInnen, die Heimats- und Ortsgeschichten im Open Access publizieren möchten. Er wird angeboten von Dr. Katrin Moeller (Historisches Datenzentrum Sachsen-Anhalt) und John Palatini (Landesheimatbund Sachsen-Anhalt).
Festabend
Festabend: 30 Jahre CompGen – 10 Jahre Matricula – 5 Jahre Archion (mit Launch des BOLSA-Portals). Beginn: 19:00. Anmeldung bis 16.3. möglich (Buffet im Preis von 32 € enthalten, Getränke Selbstzahler, vorherige Überweisung erforderlich).
Sonntag, 5.4.2020
10:00 – 12:00 Uhr: Mitgliederversammlung CompGen e.V.
Kontakt
Prof. Dr. Georg Fertig
Institut für Geschichte
Professur für Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
06099 Halle (Saale)
Fragen zur Anmeldung bitte richten an: Ingrid Reinhardt, ireinhardt@compgen.de
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