Graphik im digitalen Raum (3/3): Hilfeseiten und Metadaten

1 Veröffentlicht von Martin de la Iglesia am

von Martin de la Iglesia und Julia Rössel

In Teil 1 unserer Blogpost-Reihe über Druck- und andere Graphik im Netz ging es um Institutionen und Inhaltserschließung, in Teil 2 um Inschriften und Exemplarsuche. Der heutige abschließende Teil beschäftigt sich mit den Fragen, ob und wie Dokumentationstexte und Hilfeseiten sinnvoll sein können, und inwiefern Metadaten automatisiert ausgewertet werden können.

Dokumentation und Hilfeseiten als Ersatz für intuitives Design?

Grundsätzlich stellt sich bei der Bereitstellung von Web-Ressourcen, insbesondere solchen mit Datenbank- und Retrievalsystemkomponenten, die Frage, ob diese auch Dokumentations- oder Hilfeseiten enthalten sollten. Die Verneinung dieser Frage wird oft damit begründet, dass Nutzerinnen und Nutzer solche Hilfeseiten ohnehin nicht aktiv aufsuchen, so dass man wichtige Informationen besser an prominenteren Stellen innerhalb einer Webseite unterbringt, anstatt sie in einem Hilfetext geradezu zu verstecken. Überhaupt sollten alle Features eines Web-Angebots so intuitiv designt sein und so gut funktionieren (was bei Datenbanken auch eine fehlerfreie und homogene Datenbasis voraussetzt), dass gar nicht erst das Bedürfnis nach weiterführenden Informationen aufkommt. Zudem ist die tendenzielle Unlust von Entwicklerinnen und Entwicklern, ihre Arbeit zu dokumentieren oder gar durch Hilfetexte die Bedienung ihren Nutzerinnen und Nutzern zu vermitteln, geradezu sprichwörtlich. Dies ist nur nachvollziehbar, da das Erstellen von wirklich nützlichen und für verschiedene Nutzertypen verständlichen Hilfetexten einen nicht zu unterschätzenden Arbeitsaufwand darstellt, der zudem nicht bloß einmalig, sondern kontinuierlich geleistet werden muss, um mit funktionalen und Design-Updates des User Interface sowie ggf. einer wachsenden Datenbasis Schritt zu halten.

Ein Beispiel, bei dem mehrere dieser Probleme zusammentreffen, ist die Seite “Hilfe zu Ihrer Suche” innerhalb des Graphikportals (https://www.graphikportal.org/cms/homepage/hilfe-zu-ihrer-suche). Besonders interessant in dieser Hinsicht ist der Abschnitt “Referenz”:

Problematisch ist hierbei einerseits, dass diese Funktionalität der Werkverzeichnisnummernsuche nicht deutlich innerhalb des Retrievalsystem-Interface angeboten wird: Erst in der Trefferlistenansicht erscheint der entsprechende Filterreiter, der mit “Referenz” auch wenig aussagekräftig benannt ist. Dass die Möglichkeit besteht, im Graphikportal nach Bartsch-Nummern zu suchen, erfährt man also am ehesten, wenn man zufällig einen Blick auf die Hilfeseite wirft. Andererseits liegt das Problem auch an der Funktionsweise des Features an sich, denn bei der Suche nach einer bekannten Bartsch-Nummer im vorgegebenen Format findet man viele Datensätze nicht, obwohl sie die gesuchte Nummer enthalten. Wenn wir beispielsweise abermals Dürers “Melencolia” heranziehen, so finden wir mit der Suchzeichenkette “Bartsch VII.87.74” nur das Exemplar der Albertina, nicht jedoch die eigentlich ebenfalls im Graphikportal enthaltenen Exemplare aus Dresden, Braunschweig (×2) und Rom. Der Grund dafür ist die jeweils abweichende Formatierung der Bartsch-Nummer (“Bartsch 74”, “Bartsch (74)” bzw. “Bartsch VII, 87, 74”). Sicherlich ist es (wegen der in Dresden und Braunschweig fehlenden bzw. nur implizit enthaltenen Band- und Seitenangaben) nicht einfach, diese Daten auffindbar zu machen. Der Punkt ist jedoch vielmehr, dass die Hilfeseite genau der richtige Ort wäre, um auf diese Problematik zumindest hinzuweisen. Die Heterogenität der Datenbasis wird sich bei Aggregatoren wie dem Graphikportal vermutlich nie vollständig lösen lassen; umso wichtiger wäre es daher, diesen Umstand  transparent zu machen.

All diesen Vorbehalten gegenüber Hilfe- und Dokumentationsseiten zum Trotz muss man jedoch bedenken, dass es einen wesentlichen Unterschied gibt zwischen Webseiten, die sich an die breite Masse richten, und solchen, die spezifisch als Forschungsinstrumente für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konzipiert sind. Letztere sind zwangsläufig komplexer aufgebaut als z.B. allgemeine Suchmaschinen wie Google, da sie andere Anforderungen an Präzision und Vollständigkeit haben. Dies wiederum schlägt sich in einer höheren Komplexität ihrer Bedienung nieder: Diese muss erst erlernt werden, um für wissenschaftliche Arbeit zu taugen. Graphikdatenbanken fallen selbstverständlich in die Kategorie der wissenschaftlichen Web-Angebote (auch wenn sie sicherlich bisweilen auch von Laien für wissenschaftsferne Zwecke genutzt werden). Die Vermittlung ihrer korrekten Bedienung sollte also Ziel aller Anbietenden sein. Es stellt sich eher die Frage, in welcher Form dies am besten erfolgen sollte.

Vergleichsweise gut gelungen ist zum Beispiel die Form, die das British Museum gefunden hat: Zusätzlich zur statischen Hilfeseite (https://www.britishmuseum.org/research/collection_online/collection_search_guide.aspx) werden Hinweise zur ‘Advanced Search’ dynamisch angeboten, indem beim jeweiligen Suchfeld ein Fragezeichen-Icon angezeigt wird, das via Mouseover zu einem kurzen eingeblendeten Hilfetext führt (https://www.britishmuseum.org/research/collection_online/search.aspx). Auf diese Weise ist die Information leichter auffindbar platziert, ohne störend zu wirken.

Über das Erläutern der Funktionsweise des User Interface hinaus können Hilfeseiten wertvolle Informationen über die Datenbasis liefern, die sich wiederum möglicherweise auf die Bedienung auswirken. Heterogenität von Daten ist oft ein Problem, wenn z.B. die Daten über einen längeren Zeitraum hinweg generiert worden sind und sich währenddessen deren Erschließungspraxis geändert hat. Vor allem bei Portalen, die Daten von mehreren verschiedenen Lieferanten aggregieren, ist mit heterogenen Daten zu rechnen (s.o.). Diesem Problem kann begegnet werden, indem in einem Hilfetext präzise angegeben wird, welche Teilbestände auf welche Weise erschlossen sind und wie man bei der Recherche damit umgehen sollte. Beim bereits erwähnten Beispiel der Bartsch-Nummern im Graphikportal könnte der Hilfetext etwa angeben, welche Datengeber/-innen Bartsch-Nummern in abweichenden Formaten nachweisen (z.B. Dresden, Braunschweig), und bei welchen die Übernahme der Bartsch-Nummer ins Graphikportal überhaupt nicht erfolgt (z.B. Rom).

Schließlich ist noch der Dokumentationsaspekt der in diesem Abschnitt als “Dokumentation und Hilfeseiten” zusammengefassten Texte hervorzuheben. Wie andere Online-Ressourcen auch sind Graphikdatenbanken von der Schnelllebigkeit der Internettechnologien betroffen, die dazu führt, dass früher oder später – oft schon bald nach dem Launch – einzelne Features nicht mehr richtig funktionieren, bis hin zur gänzlichen Unerreichbarkeit der Datenbank, falls dem nicht durch Pflegeaufwand gegengesteuert wird. Der Projektcharakter vieler Ressourcen steht jedoch einer kontinuierlichen Pflege entgegen; oft werden sie nach Ende des Förderungszeitraums nur noch mit minimalem Personaleinsatz betrieben. In diesen Fällen ist eine bereits während der Entwicklung erstellte ausführliche Dokumentation wertvoll, da sie angibt, welche Funktionsweise der Features eigentlich intendiert ist (also was der Idealzustand wäre), welche Bugs bereits bekannt sind, wen man bei auftretenden Problemen kontaktieren kann, wer die Verantwortung für das Betreiben der Ressource trägt, ob und wie man sie ggf. selbst weiterentwickeln kann, welche alternativen Zugänge zu den Daten bestehen, und wie man (vielleicht durch Veröffentlichung und permissiver Lizenzierung von Programmcode) eine nicht mehr funktionierende Webseite oder Teile davon reparieren könnte. Letzteres wird vor allem dann interessant, wenn man eine ältere und bereits länger nicht mehr funktionstüchtige Ressource “reanimieren” möchte – eine Aufgabe, die sicherlich in naher Zukunft immer wichtiger werden wird. Gerade bei zeitlich befristeten Projekten, aber auch bei allen anderen Ressourcen, ist eine gute Dokumentation im Sinne der Nachhaltigkeit unerlässlich.

Metadaten als Forschungsgrundlage?

Die Forderung, Kulturdaten offen zugänglich und für digitale Forschung verwendbar zu machen, kommt nicht mehr nur aus der DH-Community, sondern ist auch ein wesentliches Element der aktuellen DFG-Regularien zum Umgang mit Forschungsdaten. Hierdurch werden Weiter- und Wiederverwendung vorhandener Daten befördert, die immer mehr auch als Grundlage quantitativer computergestützter Analysen gesehen werden.

Eine stichprobenartige Suche nach Metadaten zur Graphik ergab ein recht heterogenes Bild dessen, wie Kulturinstitutionen die bei der Retrodigitalisierung erzeugten Metadaten veröffentlichen: Das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg und das Metropolitan Museum of Art etwa haben ihre Daten auf GitHub veröffentlicht, im LIDO-XML- bzw. CSV-Format (https://github.com/MKGHamburg/MKGCollectionOnlineLIDO_XML bzw. https://github.com/metmuseum/openaccess). Auffällig ist, dass die letzten Updates bei beiden Institutionen bereits eine längere Zeit zurückliegen.

Eine andere Möglichkeit für Kulturinstitutionen ist eine API über die Metadaten bezogen werden können, wie sie das British Museum (https://collection.britishmuseum.org/) oder das Victoria and Albert Museum (https://www.vam.ac.uk/api/) eingerichtet haben. Auch das Rijksmuseum stellt eine API zur öffentlichen Verfügung, allerdings nicht ohne Passwortschutz und Registrierung (https://www.rijksmuseum.nl/en/api).

OAI-Schnittstellen sind in den DFG-Praxisregeln zur Digitalisierung (http://www.dfg.de/formulare/12_151/12_151_de.pdf) sogar verpflichtende Elemente. Solche Schnittstellen können etwa über die Dienste OAIster  (https://oaister.worldcat.org/) oder ProgrammableWeb (https://www.programmableweb.com/) gezielt gesucht werden.

Die Arbeit mit derart zugänglich gemachten Metadatensätzen ermöglicht Recherchen, wohlgemerkt ausschließlich in den digitalisierten Beständen, gewissermaßen im Sinne einer Suche im Inventar. Da aber auch Informationen über die Objekteigenschaften mitgeliefert werden, ermöglichen die Metadaten einen Überblick über bestimmte Bestände und erlauben die Weiternutzung oder Modellierung der Daten im Hinblick auf bestimmte Forschungsfragen. Bei entsprechender Datenlage könnte man sich als Einstieg mittels der Daten beispielsweise einen Eindruck darüber verschaffen, welche künstlerischen Schulen, Künstlerpersönlichkeiten oder Techniken quantitativ dominieren, über welche Teile der Sammlungen bereits Angaben zu Provenienzen vorliegen und welche noch unerforscht sind. Auch Fragen bezüglich der Bildthematik sind denkbar: Welche Kategorien liegen vor, welche Art von Darstellungen dominieren? Daran anschließen könnten sich Visualisierungen oder digitale Publikationsformate, die nicht zuletzt für die musealen Institutionen von Interesse sind. So waren beispielsweise die Metadaten des Metropolitan Museum Grundlage für Arbeiten von Studierenden der Parsons School of Design (https://parsons.nyc/met-museum/) unter Anwendung verschiedener Data-Mining-Techniken und Visualisierungsstrategien, die auf die über die API zur Verfügung stehenden Datensätze zurückgreifen.


Screenshot des Projekts “The Migration of Art” von Ryan Best (Https://ryanabest.com/ms1-2018/interactivity/).

Andere Beispiele finden sich etwa in den Projekten des Urban Complexity Lab Potsdam (https://uclab.fh-potsdam.de/ddb/): Metadaten (Stand 2014) der Deutschen Digitalen Bibliothek werden hier über Datenfelder wie Stichworte, Orte oder Personen und Organisationen visualisiert. Ordnungsparameter für die Visualisierungen sind statistische Größen (https://www.jbe-platform.com/content/journals/10.1075/idj.23.1.06dor).

Bereits in den genannten Beispielen vorhandener Metadaten fällt auf, dass die Praxis zur Veröffentlichung von Metadaten für Kulturinstitutionen kaum standardisierten Prozessen folgt. Dies führt dazu, dass die Recherche nach und schließlich in Metadatensätzen extrem voraussetzungsvoll ist und somit kaum als niedrigschwellige oder gar barrierefreie Publikation gesehen werden kann. Es kann entsprechend gefragt werden, wer diese (bislang wenigen) Möglichkeiten tatsächlich nutzt. Zudem stellt sich die Frage nach der Qualität der Daten, nicht nur für die Nutzerinnen und Nutzer: Gibt es Aktualisierungsprozesse? Wie verlässlich sind die Daten für etwaige Forschung? Und welche Möglichkeiten gibt es, gegebenenfalls angereicherte Daten an die Institutionen zurückzugeben?

Zusammenfassung

Anhand der sechs Problemfelder, die wir hier und in den beiden vorangegangenen Blogposts aufzeigen, lässt sich erkennen, dass digitale Graphikressourcen mit Herausforderungen zu kämpfen haben, die teils spezifisch für diesen Gegenstand sind, meist jedoch dieselben wie bei anderen Datenbanken und Retrievalsystemen sind. Ob die beschriebenen Unzulänglichkeiten ihre Ursache in Unkenntnis, mangelnder Vernetzung oder knappen Mitteln haben, lässt sich schwer allgemein feststellen. Dabei ist es allerdings leicht, bestehende Angebote zu kritisieren und dabei den eigentlich schwererwiegenden Missstand zu übersehen; dass nämlich große Informationsmengen über Graphik zwar in Form von Inventaren, Sammlungskatalogen u.ä. vorhanden sind, aber nur analog und (noch) nicht digital. Aus unserer Sicht wäre also die bereits im DARIAH-DE Working Paper zum Stand der Kulturgutdigitalisierung in Deutschland (Lisa Klaffki, Stefan Schmunk, Thomas Stäcker 2018, http://webdoc.sub.gwdg.de/pub/mon/dariah-de/dwp-2018-26.pdf) angeregte Digitalisierung von Erschließungsinstrumenten, wie Inventaren zu Graphiksammlungen, zu unterstützen.

Insgesamt zeigt sich, dass der digitale Raum noch viele offene Probleme für die Graphikforschung bereithält. Es ist abzusehen, dass diese Probleme sich nicht durch eine einzelne Institution oder durch eine großangelegte konzertierte Bemühung der Community werden lösen können. Stattdessen ist zu hoffen, dass die langfristig angelegte Initiative einzelner, in ihrer Zahl wachsender Akteurinnen und Akteure sowie deren Zusammenarbeit zu kleinen aber stetigen Fortschritten führt.

Martin de la Iglesia ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt “Kommentierte digitale Edition der Reise- und Sammlungsbeschreibungen Philipp Hainhofers (1578-1647)” an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel sowie Promotionsstudent im Fach Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg.

Julia Rössel ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt “Kupferstichkabinett Online”, das ebenfalls an der HAB angesiedelt ist, und befasst sich im Rahmen ihrer Promotion mit Transformationsprozessen bei der Digitalisierung von Graphischen Sammlungen.

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