RfII-Diskussionsimpuls 2018: Auf dem Weg zu einem Netzwerk mit Kanten aber ohne Knoten?
Im März 2018 hat der Rat für Informationsinfrastrukturen (RfII) den „zweiten Diskussionsimpuls zur Ausgestaltung einer Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) für die Wissenschaft in Deutschland“ unter dem Titel „Zusammenarbeit als Chance“ veröffentlicht. Als in verschiedenen Kontexten Betroffener, der hier aber seine eigene und keine institutionelle Meinung vertritt, nehme ich diesen Impuls gerne auf und gehe im Folgenden auf nur vier Aspekte ein: einen beiläufigen, einen befriedigenden, einen für mich überraschenden und einen aus meiner Sicht problematischen.
1. „Papiere von politikberatenden Gremien“ als literarisches Genre
Erklärungen, Stellungsnahmen, Positionspapiere, Impulstexte und was dergleichen Verlautbarungen noch für Namen haben, dienen dazu, einen öffentlichen Diskurs herzustellen. Die politikberatenden Gremien im Wissenschaftsbetrieb versammeln besondere Kompetenzen zu einzelnen Themenfeldern oder bauen sie im Laufe ihrer Arbeit auf, um politische Entscheidungen auf eine gute sachliche und strategische Grundlage zu stellen. Sie verfolgen nominell keine eigene Agenda und treffen keine Entscheidungen. Ihr Wissen geben sie nicht nur an die Politik weiter, sondern stellen es auch in der wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Verfügung und zu Diskussion. Soweit die Theorie. In der Wirklichkeit sind alle Akteure in Gremien oder auf Geschäftsstellen der Wissenschaftsorganisation zugleich Angehörige von Fachdisziplinen, von Verbänden, von Forschungseinrichtungen, von anderen Institutionen und Netzwerken. Natürlich haben sie spezifische Interessen und Perspektiven. Die von den Gremien publizierten Papiere bilden bestimmte Agenden ab und sie haben einen politisch-strategischen Impetus. Leider tun sie das, weil sie eigentlich keine Entscheidungen vorwegnehmen dürfen, in der Regel nur sehr implizit. Das führt dazu, dass solche Papiere häufig äußerst vage und unklar formuliert sind, wodurch sie vielfältige Deutungsmöglichkeiten eröffnen. Meine eigene Reaktion auf solche Texte ist häufig, in die Diskussion mit engeren oder entfernteren KollegInnen einzusteigen: „Ich lese das Papier so: […] – wie verstehst Du es“. Und dabei ist es sehr spannend, die gemeinsamen und die divergierenden Lesungen zu vergleichen. Das ist zunächst auch ein akademischer Spaß, aber das Fischen im Trüben verliert seinen Reiz natürlich irgendwann. Spätestens dann, wenn am Ende politischer Entscheidungsprozesse klar wird, dass hinter den Kulissen längst Entscheidungen gefällt worden sind, die in den Papieren so verklausuliert worden waren, dass man nachher immer noch sagen kann „Stand doch alles in den Papieren! Habt Ihr nur falsch gelesen!“. Aber dies ist nur eine beiläufige Bemerkung zu einer interessanten Textgattung, deren Vagheits-Parameter die computationalen Sprach- und Literaturwissenschaften sicher besser isolieren und berechnen können. Ich komme zur Sache.
2. Forschungsdateninfrastruktur als horizontale, polyzentrische Struktur
Unter den Akteuren, die sich in den vergangenen Jahren mit Forschungsdatenmanagement (FDM) beschäftigt haben, hat sich ein Konsens herausgebildet, dass eine erfolgreiche Infrastruktur nur aus verteilten, aber gut zusammenarbeitenden Einrichtungen bestehen kann. Diesem Konsens, der in den vergangenen Monaten auch in den verschiedenen Positionspapieren von Fach-Verbänden und anderen Organisationen ausgedrückt worden ist, scheint sich auch der RfII erfreulicherweise vollständig angeschlossen zu haben. Im aktuellen Impulspapier finden sich Begriffe wie Netzwerk/vernetzt/Vernetzung/Verknüpfung (7 Mal), Knoten (2), polyzentrisch/verteilt (4), horizontal (2), gemeinsam/Verbund/Anbindung/Einbindung/Integration (6), Integration (2). Den Begriff „horizontal“ würde man wohl gemeinhin als „nicht-hierarchisch“ verstehen. Er ist auf der anderen Seite aber nur ein Sprachbild und so mag die Eine eine Struktur als „horizontal“ beschreiben, die sich im Kopf eines anderen ganz anders darstellt. Horizontal sind am Ende nur die Elemente auf einer bestimmten Ebene einer hierarchischen Struktur. Im NFDI-Prozess zeichnen sich ja mindestens drei Ebenen ab: Die NFDI-Governance, die Konsortiums-Governance und schließlich die eigentlichen Akteure des Forschungsdatenmanagements, nämlich Forscher, deren Verbände, Datenzentren, deren gemeinsame Organisationseinheiten und andere Anbieter von Diensten und Leistungen. „Horizontal“ ist hier also eher die Bezeichnung für „alles andere“ was nicht die Governance-Ebenen sind. Ob der Begriff damit schon eine gute Beschreibung der kommenden Wirklichkeit in den Konsortien sein wird, wird man sehen. Als Idee ist eine „möglichst“ horizontale, verteilte Struktur aber auf jeden Fall ebenso zu begrüßen, wie die Betonung von Fachspezifik, „Fachgemeinschaften“, „fachlich-thematische Domänen“ und der Nachfrageorientierung. Denn es ist auch Konsens, dass die einzelnen Fachbereiche so unterschiedliche Methodiken, Datenarten und Problemlagen haben, dass FDM nur unter Berücksichtigung dieser Unterschiede erfolgreich sein kann. Zugleich brauchen wir auch horizontal verteilte, mehrfache, in Konkurrenz zueinander stehende Angebote, um Wettbewerb und Innovation sicherzustellen.
3. Die Abdeckung der gesamten Forschung durch Konsortien
Schon am Anfang des NFDI-Prozesses stand die Idee, dass sich die verschiedenen Forschungsbereiche in Konsortien organisieren würden. Allein die Granularität dieser Gliederung war völlig unklar. Den Geisteswissenschaften ist es in den letzten Jahren auf eine überaus positive Weise gelungen, sich selbst zu organisieren, die immer wieder geforderte „Sprechfähigkeit“ herzustellen und so das Auftreten als ein großes, viele Einzeldisziplinen übergreifendes Konsortium vorzubereiten. Wenn dieser Zuschnitt als Vorbild genommen würde, dann bräuchte eine nationale Infrastruktur eigentlich nur fünf bis zehn große Konsortien zu umfassen, die ähnlich große Bereiche wie „die Geisteswissenschaften“ (also z.B. „die Sozialwissenschaften“ oder „die Naturwissenschaften“) umfassen würden. Das Impulspapier orakelt nun aber gibt nun aber eine andere Richtung vor: „Insgesamt ist mit einer mittleren zweistelligen Zahl von Konsortien zu rechnen.“
Das finde ich überraschend, weil ich es hier zum ersten Mal lese. Eine „mittlere zweistellige Zahl“? Sind das 40 bis 60? Oder 30 bis 70? Jedenfalls würde es bedeuten, dass nicht Fachbereiche, sondern einzelne Disziplinen oder Themenfelder einzelne Konsortien ausbilden würden. Natürlich sind die Herausforderungen aus Forschungspraxis, Methodik, Datentypen, Repository-Bildung oder Softwareentwicklung z.B. in der Kunstgeschichte, der Archäologie oder der Philologien so unterschiedlich, dass man dazu gezielt spezialisierte Konsortien bilden könnte. Ein intensiver Verständigungs- und Organisationsprozess der letzten Jahre hat aber zu meiner großen Freude gezeigt, dass sich all diese (und viele weitere) Disziplinen doch unter einem gemeinsamen Dach zusammenfinden können. Nicht zuletzt die Digital Humanities haben entscheidend dazu beigetragen, dass wir inzwischen wieder eine einheitlichere Sicht auf „die Geisteswissenschaften“ haben. Ich hoffe, dass dieser Weg der integrativen und umfassenden Formierung auch ungeachtet der jetzt in den Raum gestellten hohen Granularität einer NFDI weitergegangen wird. Im Prinzip sollte es ja auch möglich sein, dass es neben sehr großen Konsortien („die Geisteswissenschaften“), die eben auch für eine sehr große Zahl an Disziplinen und ForscherInnen stehen, kleinere Konsortien für einzelne Fächer (z.B. aus den Naturwissenschaften) geben würde.
4. Die Finanzierungsfrage
Wenn offensichtlich bestehende Probleme gelöst werden sollen und wenn dazu der Aufbau neuer Lösungen und Strukturen erforderlich ist, dann geht es am Ende um Finanzierung. Forschungsdatenmanagement ist ein komplexer Problemkreis, der als Schichtenmodell von vielfältigen Anforderungen und Lösungen beschrieben werden kann. Es geht um ein breites Set an Diensten und Leistungen, die gebraucht werden, um die Forschungsdatenprobleme der ForscherInnen zu lösen. Am Ende gibt es aber unter den vielen verschiedenen Diensten genau einen Dienst, der wichtiger ist, als alle anderen: Es muss (z.B. in Form von Datenzentren) stabile Institutionen und in diesen letztlich für jede Forscherin und für jeden Forscher eine/n kompetente/n Ansprechpartner/in geben, der/die die verschiedenen Probleme aufnimmt und sie dadurch löst, dass er/sie sich ihrer annimmt und die verschiedenen Einzeldienste dafür nutzt. Denn irgendjemand muss sich am Ende mit ForscherInnen zusammensetzen, Problemlagen verstehen, Datenmanagementpläne entwickeln und über Jahre hinweg prüfen, ob Ressourcen noch verfügbar und zugänglich sind und ggf. weitere Aktionen erforderlich machen.
Im Impulspapier steht nun dazu die Parole von der „Investition in Köpfe“. Es sollten Mittel für „Fachpersonal für Entwicklung und Betrieb der Dienste-Portfolios“ bereitgestellt werden. Aber ist damit wirklich der zentrale Dienst „Betreuung der Forschung“ gemeint? Denn im Gegensatz dazu wird auf einmal überraschend klar festgestellt: „es geht nicht um die Ertüchtigung vorhandener Zentren“(!) und weiter: die „Förderung erfolgt … komplementär zu einer vorhandenen – grundständigen oder anderswie nachhaltigen – Finanzierung der über die Konsortien eingebrachten Dienste und Ressourcen“. Das empfinde ich als irritierend. Es ist klar, dass eine zentrale Förderung nicht eine Rundumfinanzierung bedeuten kann und dass andere Akteure nicht aus der Verantwortung entlassen werden können, eigene Beiträge für die eigenen (institutionellen, fachlichen, geografischen) Zuständigkeitsbereiche zu leiten. Aber reine Komplementarität würde ja bedeuten, dass die Stellen, an denen das eigentliche FDM stattfinden muss, gar nicht Teil des (geförderten) NFDI-Aufbaus wären? Dass der NFDI-Prozess nur den Überbau, aber nicht die Basis beträfe? Oder, um im notorischen Bild des Netzwerkes zu bleiben, dass nur die Kanten, nicht aber die Knoten ausgebildet werden sollen? Aber was wäre das dann für ein Netzwerk? Dass die gewählten Formulierung zu kurz greifen, wird auch deutlich, wenn man die Perspektive umgekehrt: Wenn eine NFDI-Strategie nicht zur „Ertüchtigung vorhandener Zentren“ beiträgt, wozu braucht man an den Stellen, an denen das FDM tatsächlich stattfindet, überhaupt eine NFDI?
Der RfII ist sicher nicht für alles zuständig. Aber er scheint doch zuständig, einen konzeptionellen Beitrag zu einer allgemeinen Strategie für den Aufbau eines funktionierenden FDM in Deutschland zu leisten? Dazu müsste aber auch überlegt werden, wo denn die Finanzierung für das FDM vor Ort herkommen soll. Man kann ja nicht so tun, als würde das schon irgendwie vom Himmel fallen und man müsse sich deshalb nur um die Verbindungen und den koordinierenden Überbau kümmern. Tatsächlich scheint man aber nur dafür eine Förderung vorzusehen: „Die Fördermittel dienen zunächst dem NFDI-Aufbau“ (als Governance-Struktur?). Zwar ginge es auch um den „Aufbau, Betrieb und Weiterentwicklung generischer Dienste“, aber auch damit werden ja die konkreten und vielfach individuellen Probleme der ForscherInnen vor Ort nicht gelöst. Statt auf den Boden der alltäglichen Aufgaben geht der Blick weiter nach außen und in die Wolken der Metaebene. Es sollen „Ressourcen für die internationale Dimension“ und sogar für „Forschung über die NFDI und zu den Wirkungen der NFDI-Konsortienbildungen im Wissenschaftssystem“ bereitgestellt werden. Als Geisteswissenschaftler bin ich sehr für Reflexion und Theoriebildung. Als Mitarbeiter eines Datenzentrums frage ich mich aber jeden Tag, wie wir die FDM-Probleme lösen sollen, mit denen die KollegInnen zu uns kommen. Und wo das Geld herkommen soll, mit dem wir noch jemanden einstellen könnten, der/die die jetzt schon zu große Zahl an Hilfegesuchen bearbeitet …
Mir fehlt im aktuellen Impulspapier dazu die Vision. Stattdessen beschränkt es sich auf vage Vorschläge: „Mit Blick auf den Betrieb sind moderate, nicht prohibitiv wirkende Gebühren- bzw. Vergütungsmodelle denkbar“- Bedeutet das, dass man die Datenzentren selbst nicht fördern, ihnen aber zugleich Geschäftsmodelle vorschlagen will? In der Summe wirkt die im Impulspapier angedeutete Strategie so, als erwarte man, dass die eigentlichen Probleme von anderen gelöst würden. Aber von wem? Von noch unbekannten Geldgebern? Von den noch-nicht-finanzierten Datenzentren? Von den Fach-Verbänden? Von den ForscherInnen selbst, die einfach nur genug frisches Geld mitbringen müssten um zusätzliche Dienste einzukaufen? Und der NFDI-Prozess würde sich dann auf die Governance-Strukturen, um die Ausbildung eines Wasserkopfes von Leitungsstrukturen kümmern?
Der aktuelle Diskussionsimpuls des RfII ist ein wichtiger Schritt hin zu konkreteren Vorstellungen über die Ausgestaltung des NFDI-Prozesses und seiner nächsten Schritte. Ich hoffe, dass meine Lesung einer Fokussierung auf Governance und organisatorischem Überbau im Gegensatz zu den konkreten Problemlösung an der Basis eine einfache Fehlinterpretation ist. Vielleicht kann die Strategie zu diesem letzteren Bereich aber auch in einem der kommenden Papiere deutlicher gemacht werden? Vielleicht in einem Papier „Wer bringt was mit?“ – Nicht im Sinne von „was bringen die beteiligten Akteure im FDM mit?“, sondern im Sinne von „wo sollen eigentlich die Ressourcen für den Aufbau einer NFDI und für das Forschungsdatenmanagement herkommen“: Was bringt der Bund mit? Was bringen die Länder mit? Was bringen die Institutionen der Forschung mit? Was bringen die ForscherInnen und die Drittmittelgeber mit?
Das denke ich, wenn ich das Papier lese. Wie lesen andere es?
RfII-Diskussionsimpuls 2018: Forschungsdaten(infrastrukturen) sind Mittelpunkt von Forschung! | DHd-Blog
[…] auch wenn dies vielleicht Zufall ist. Den Aufruf zur Diskussion von Patrick Sahle (Beitrag „Auf dem Weg zu einem Netzwerk mit Kanten aber ohne Knoten?“) aufgreifend, möchte ich ebenfalls aus der Perspektive einer Wissenschaftlerin einige […]
Eckhart Arnold
Hi Patrick, danke für Deine ausführlichen, gründlichen, kritischen
Überlegungen!
In einem Punkt hast Du sicherlich recht: Der Aufbau und Erhalt einer
Forschungsdateninfrastruktur wird Geld kosten (genauso wie das
Bibliothekswesen Geld kostet) und das Geld sollte natürlich nicht nur in die
Apparate fließen, sondern vor allem dorthin wo im letzten Glied die Arbeit
geleistet wird, d.h. in die Datenzentren. Ob es dabei um neu aufzubauende oder
um die „Ertüchtigung“ bestehender Datenzentren geht ist sekundär. Die
Ertüchtigung vorhandener Zentren hat in zumindest dann Sinn, wenn sie einen
bestehenden Bedarf aus Kapazitätsgründen nicht befriedigen können. Das sollte
man also nicht kategorisch ausschließen, insbesondere wenn „Durchgängigkeit“
(soll wohl heißen: jeder der Bedarf an Dateninfrastrukturdiensten hat, kann in
Zukunft bedient werden) erzielt werden soll.
Ansonsten gehört zu einer Forschungsdateninfrastruktur (FDI) aber wesentlich
mehr als das, was Digital-Humanities-Datenzentren bisher leisten (können). Aus
Sicht eines Wissenschaftlers oder einer Wissenschaftlerin sollte eine FDI
Lösungen für drei Probleme bieten:
1. Wo kann ich meine Forschungsdaten abliefern, so dass sie nicht verloren
gehen und für andere verfügbar sind?
2. Wie kann ich erreichen, dass meine Forschungsdaten möglichst lange
verfügbar sind, möglichst leicht gefunden werden, und möglichst gut für andere
zu gebrauchen sind? (Ich gehe davon aus, dass in Zukunft Forschungsdaten
genauso wie Fachartikel zitiert werden und die Forschungsbewertung eingehen.)
3. Wie kann ich möglichst leicht an möglichst viele, möglichst gute
Forschungsdaten für mein Forschungsvorhaben herankommen, wie bekomme ich sie
in einer Form, die ich verwenden kann.
Du leitest ein DH-Datenzentrum, also korriegiere mich, wenn ich im Folgenden
etwas Falsches sage: DH-Datenzentren lösen bisher das erste Problem, aber
nicht das zweite und dritte Problem. Um das zweite und dritte Problem
umfassend zu lösen, muss man tatsächlich an all die Fragen der
Interoperabilität und (internationalen) Vernetzung heran, die im RFII-2-Papier
so betont werden.
DH-Datenzentren (und dasselbe könnte man vllt. auch für
Universitätsbibliothekn, die DH-Abteilungen von Wisenschaftsakademien etc.
erzählen) arbeiten ungefähr so: Sie versuchen die Wünsche ihrer Kunden
möglichst gut zu erfüllen, und d.h. die Daten in der bestimmten Form, in der
sie abgeliefert werden (und die sehr wohl durchdacht und in ihren zuweilen
idiosynkratischen Zügen wissenschaftlich motiviert sein kann) möglichst gut
aufzuheben und bereit zu stellen. Maximal legen die Datenzentren gewisse
eigene, d.h. lokale Standards als Voraussetzung dafür fest, dass sie die
Langzeitpflege garantieren können. Existierende Standards werden eventuell
aufgegriffen, aber deren Entwicklung nicht wesentlich voran getrieben werden.
Das betrifft sowohl die Interoperabilität innerhalb eines Faches als auch erst
recht über Fächergrenzen hinweg.
Nur eine Karikatur? Falls nicht, wie löst man dann die Probleme der
Interoperabilität? Wenn nicht über Superstrukturen (NFDI),
dann bliebe höchstens noch irgendeine Art von Selbstorganisation? Aber wie
könnte die hier aussehen und in Gang gebracht werden?
Apropos ungelöster Probleme: Eine Sache, die im Zusammenhang mit der NFDI und
auch im RFII-2-Papier immer wieder beschworen wird, ohne dass schon irgendwer
eine plausible Lösung skizziert hätte, ist die Nutzergetriebenheit bzw,
Bedarfsorientierung. Wie bekommt man das hin? Der naturgemäß beste Weg dazu
wäre irgendeine Art von Marktmechanismus. Aber das ist bei einer
Dateninfrastruktur, die ja dauerhaft sein sollte und eben nicht dem Werden und
Vergehen (z.B. von Unternehmen auf dem Markt) unterworfen sein darf, nicht so
ohne Weiteres möglich. Welche Art von Struktur oder institutionellem
Arrangement könnte dem nahe kommen, und den Nutzern wenigstens Wahlfreiheit
zwischen Alternativen sichern?
Eine anderes Thema, über das m.E. Unklarheit herrscht (nicht so sehr in den
RFII-Papieren, aber in der Diskussion um die NFDI, wie z.B. zuletzt in Berlin)
ist die Frage, ob es nur um Forschungs*daten*infrastrukturen im engeren Sinne
oder um digitale Forschungsinfrastrukturen im weiteren Sinne geht. Letztere
würden z.B. auch die Bereitstellung und Pflege von Softwarewerkzeugen
beinhalten, also etwa Redaktionssysteme zur Erstellung digitaler Editionen.
Meine persönliche Meinung zu dieser letzteren Frage: Die NFDI sollte sich auf
Forschungsdateninfrastrukturen konzentrieren. Der Grund: Anders als bei den
Forschungsdaten, deren dauerhafte Speicherung durch eine Infrastruktur
sichergestellt werden muss, kann es z.B. bei Softwarewerkzeugen ruhig ein
Werden und Vergehen geben. Die Verstetigung eines Forschungsprojekts, dessen
Ziel die Entwicklung eines Softwarewerkzeugs war, muss nicht unbedingt in
eine staatlich gesicherte Dauerförderung münden, sondern sie kann
denkbarerweise auch in einer Ausgründung und der Entwicklung eines Produkts
bestehen, das sich dann eben am Markt bewähren muss.