Konferenzbericht DH2024 „Reinvention & Responsibility“, Washington DC
Dieser Beitrag ist im Rahmen eines Reisekostenstipendiums für die DH2024 entstanden. Ich möchte mich an dieser Stelle herzlich beim Verband Digital Humanities im deutschsprachigen Raum (DHd) dafür bedanken, mir die Teilnahme an der Konferenz zu ermöglichen. Auch möchte ich die tolle Arbeit der Organisator:innen hervorheben und mich dafür bedanken.
Die DH2024, organisiert von der Alliance of Digital Humanities Organizations (ADHO), fand vom 6. bis 9. August 2024 an der George Mason University in Arlington, Virginia, statt. Unter dem Thema „Neuerfindung & Verantwortung“ bot die Tagung Digital Humanists aus aller Welt eine Plattform, um ihre Forschungsergebnisse und aktuelle Entwicklungen im Feld zu präsentieren.
Workshops und Eröffnung
Die Konferenz begann am Montag und Dienstag mit praxisorientierten Workshops, die sich auf die Anwendung von Methoden, Software und Werkzeugen konzentrierten. Der offizielle Konferenzbeginn folgte am Dienstagabend mit der Eröffnungszeremonie, einem Empfang und einer Keynote von Susan Brown, der in diesem Rahmen auch der „Roberto Busa Preis“ verliehen wurde. In ihrer Keynote gab Susan Brown einen Einblick in ihre Arbeit zur Verknüpfung von Forschungsdaten (Linked Open Data). Den Mittwoch eröffnete die Datenjournalistin Linda Ngari mit einer weiteren Keynote. In dieser berichtete sie aus ihrer Erfahrung als Journalistin, ein interprofessioneller Ausflug, der auch für die Digitalen Geisteswissenschaften relevante Erkenntnisse mit sich brachte, wie beispielsweise den eindringlichen Appell die Integrität von Forschungsdaten – insbesondere wenn diese durch Dritte erzeugt werden – kritisch zu hinterfragen.
Einige Beobachtungen aus den Panels
Im Anschluss starteten die thematischen Panels. Bei fast 90 parallel laufenden Panels, die sich meist aus mehreren kürzeren Vorträgen zusammensetzten, bleibt mir nur die Möglichkeit, einige aggregierte (und vermutlich subjektive) Eindrücke zu schildern.
Eine Reihe von Vorträgen beschäftigte sich mit der Langzeitverfügbarkeit und Nachnutzbarkeit von Forschungsdaten, Publikationsplattformen und digitalen Editionen. Besonders im gut besuchten Panel „Sustainability of Digital Publishing Platforms“ wurde diskutiert, welche Verbesserungen bereits erzielt wurden und was in Zukunft noch optimiert werden könnte. Statt rein technischer Lösungen standen vor allem soziale und finanzielle Herausforderungen im Fokus, insbesondere die Vermittlung von Anforderungen zwischen verschiedenen Disziplinen und Funktionsträgern. Ein zentrales Fazit war, dass qualifiziertes, langfristig beschäftigtes Personal entscheidend zur Nachhaltigkeit von Publikationen beitragen kann. Technisch gesehen wurde der Trend sichtbar, etablierte Standards und Anwendungen zu bevorzugen und die Stabilität gegenüber der Innovationsfreude zu priorisieren.
Ein weiterer wiederkehrender Themenkomplex drehte sich um Large Language Models (LLMs). Stabile, nachvollziehbare und reproduzierbare Ergebnisse konnten vor allem die Ansätze erzielen, die auf bewährte Komponenten von Sprachmodellen zurückgreifen, wie z. B. die Verwendung von LLM-Embeddings. Auch die Nutzung von LLMs als „eigenständige Agenten“ zur Automatisierung von Arbeitsschritten wurde thematisiert, wobei viele dieser Ansätze noch im Planungsstadium stecken, und konkrete Ergebnisse noch nicht präsentiert werden konnten. Zudem waren LLMs selbst Gegenstand der Forschung, etwa in einer qualitativen Analyse zu rassistischen Biases in Sprachmodellen.
Ein für mich besonders interessantes Panel stellte neue Ansätze in der historischen Reiseforschung vor. Diese Ansätze lösen sich von der konventionellen Geolokalisierung und ermöglichen es, Quellen zu berücksichtigen, die keine eindeutigen geographischen Verortungen zulassen. In der Analyse und Visualisierung werden diese Informationen in Form von Netzwerkgraphen oder gewichteten Punkten dargestellt. Da die Forschung sich noch in der Entwicklung befindet, bin ich gespannt, wie sich diese Ansätze weiter entwickeln.
Neben den zahlreichen Vorträgen gab es zwei Poster-Sessions. Am Freitagnachmittag präsentierte ich das Poster unseres Projektteams und konnte dabei interessante Gespräche mit den Teilnehmer:innen der Konferenz führen. Gleich im Anschluss daran endete die DH2024 mit der Abschlusszeremonie. Die abschließende Keynote hielt Shannon Mattern, die die Verschränkung sozialer und technischer Aspekte in der Medienkommunikation thematisierte. Besonders inspirierend fand ich ihren Gedanken, dass Kommunikationsmedien nicht voraussetzungslos existieren, und man die eigene Nutzung kritisch dahingehend prüfen sollte, ob sie nicht möglicherweise die Grundlagen untergräbt, auf denen man aufbaut.
Fazit
Die DH2024 in Arlington war eine spannende und bereichernde Konferenz. Der Austausch mit internationalen Kolleg:innen und die Vielfalt der Themen haben mir wertvolle neue Impulse für meine eigene Arbeit gegeben und ich freue mich darauf, an zukünftigen Konferenzen teilzunehmen.
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