Digital Humanities – « Quo Vadis » oder « Quis Es » ?

0 Veröffentlicht von Stefanie Salzburger am

Dieser Beitrag ist im Rahmen eines Reisekostenstipendiums für die DHd2024 entstanden. Ich möchte mich bei NFDI 4Memory an dieser Stelle herzlich für die Möglichkeit bedanken, an der Konferenz teilzunehmen. Besondere Bewunderung möchte ich auch den Organisator:innen für ihre hervorragende Arbeit, die meine erste Konferenzerfahrung äußerst positiv geprägt hat und mir sicherlich noch lange in Erinnerung bleiben wird, aussprechen.

 

Die DHd2024 fand unter dem Thema „Digital Humanities – Quo Vadis?“ statt. Umso spannender, dass die Frage, die die meisten Vorträge spätestens in ihrer Diskussion begleitete, nicht die Frage nach der Zukunft der DH war, sondern die Frage nach der Identität der DH und deren Umsetzung war. Wie finden wir den Anschluss in unsere „Heimatdisziplinen“ wieder? Ist es unsere Aufgabe als Digital Humanists darauf zu achten, dass unsere Kolleg:innen nicht aus Traditionsbewusstsein digital auf der Strecke bleiben? Wer ist Digital Humanist? Gehört jede:r dazu, der „durch diese Türen tritt“ ? Aber eine der häufigsten Fragen lautete: Bin ich Digital Humanist und wenn ja, darf ich mich dann auch noch bspw. als Literaturwissenschaftler:in identifizieren?

Ein zugegebenermaßen individualistischer Ansatz, der aber bereits Dienstagabend vor der Opening Keynote angeregt wurde, als ausdrücklich festgestellt wurde, dass Marco van Leeuwen sich nicht als Digital Humanist sieht, sondern als historischer Soziologe. Beim Docotoral Consortium 1 am Mittwochmorgen, wurde an die beiden Vortragenden die Frage gestellt, wie sie den Anschluss an ihre „Heimatdisziplin“ finden und diese Kontakte pflegen, was wiederrum die Frage auslöste, ob dies denn die Aufgabe der DH wäre und vor allem ob dies die Aufgabe der Dissertant:innen wäre. Außerdem folgte die Frage, wie sich die beiden Dissertierenden selbst verorten. Auch im Doctoral Consortium 2 erwähnte Bernadette Mischka, dass Sie sich nicht als Digital Humanist identifiziert, woraufhin die Diskussion vom Vormittag erneut aufgebracht wurde und man schließlich zu dem schönen Schlussgedanken gelangte, dass „Digital Humanist“ ein Label zum Zweck der Vernetzung darstellt und nicht abschreckend wirken sollte. Der Vortag „Von Menschen und Maschinen“ Donnerstagmittag schloss mit der Feststellung, dass das Brückenschlagen zwischen den Geisteswissenschaften und (neuer) Technologien eine Hauptaufgabe der Digital Humanities sei. Gleichzeitig fanden unter dem Titel „DH-Theorie und Geschichte“ Vorträge statt, wie beispielsweise „Digital Humanities interessieren uns nicht, das haben wir schon ausgeforscht“, die sich auch inhaltlich mit diesem Thema befassten und daher sicherlich ähnliche Diskussionen mit sich brachten. Selbiges trifft auch auf den Vortrag „The Future of Philosophy In the Digital Humanities“ zu. (Anm.: Diese Einschätzung basiert auf den Inhalten des Books of Abstracts.) Obwohl sich die Fishbowl Podiumsdiskussion am Donnerstagabend mit dem Thema „Quo Vadis“ auseinandersetzen sollte, und auch vermehrt der Versuch unternommen wurde, die Diskussion wieder darauf zurück zu führen, drehte sie sich konsistent um den Status Quo, sowie den Umgang mit Labeln und deren Relevanz. Dabei wurde besonderer Fokus auf die Frage gelegt wie sich die einzelnen Forschenden identifizieren und wie sie zu ihrer „Heimatdisziplin“ stehen (wollen/sollen) und wer eigentlich zu den Digital Humanities gehören soll.

Natürlich ist noch zu beachten, dass diese Fragen vor allem von außen, besonders von Fördergebern und Forschungseinrichtungen, kommen und sie wichtig zur Sicherung von finanziellen, zeitlichen und personellen Ressourcen sind – betont wurde dies besonders von Malte Rehbein. Aber auch der Anschluss an die „Heimatdisziplin“ ist wichtig, weil traditionelle/konservative Geisteswissenschaftler:innen auch bei diesen Projekten unterstützend oder behindernd wirken können, wie in den Vorträgen unter „KI und Vertrauen“ Freitagmittag angemerkt wurde. Dieser Punkt wurde in den verschiedenen Diskussionen aufgebracht und war auch in der Dominanz der Fragen spürbar.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass es sich hierbei durchaus um berechtigte Fragen handelt. Fragen die auch eindeutig von außen, gestellt werden und daher innen besprochen werden müssen. Allerdings wird es schwierig über die Zukunft eines Feldes zu diskutieren, das beim Selbstverständnis keine gemeinsame Basis finden kann. Eine dezidiert dem Finden eines Selbstverständnisses gewidmete Konferenz könnte hier Abhilfe schaffen, denn wie Leeuwen in seiner Keynote betonte: „We still need theory“ und aktuell schweben die auf der Konferenz aufgebrachten Argumente ohne strukturierte Verknüpfungen im Raum. Idealerweise würde diese Konferenz mit einem Manifest, oder zumindest einem Leitfaden für Digital Humanists abgeschlossen werden. Und selbst wenn man nicht auf einen einzelnen grünen Zweig kommen kann, wäre es sicherlich sinnvoll, die verschiedenen Definitionsmöglichkeiten und Aufgabenvorstellungen gemeinsam festzuhalten. Dies könnte auch in bestimmten Zeitabständen (bspw. 10 Jahre) überarbeitet werden, und müsste sich auch hierbei, zumindest in den meisten Fällen, nicht erneut mit Grundsatzdiskussionen befassen.

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