Unter dem Big Tent der Digital Humanities: Ein Einblick in die DHd 2024

0 Veröffentlicht von Julia Hintersteiner am

Im Idealfall zeichnet sich eine Konferenz durch vielfältige Einblicke, neue Erlebnisse und ein reichhaltiges Wissensspektrum aus, während kluge Köpfe und ihre Ideen sich an einem Ort – sei es im Hörsaal oder im eigenen Geist – versammeln. Nach einer Woche solcher intensiven Eindrücke kann es durchaus vorkommen, dass der Kopf vor lauter Impressionen zu rauchen beginnt. Mir erging es nicht anders nach meiner Teilnahme an der diesjährigen DHd-Konferenz in Passau.

Mit dem Ziel, das komplexe Spektrum der Digital Humanities, auch als Big Tent[1] oder in der Closing Keynote als Big Cloud[2] bezeichnet, besser zu durchdringen, führte ich aufschlussreiche Interviews mit einigen Teilnehmenden durch (herzlichen Dank an dieser Stelle für die Teilnahme). Dabei setzte ich meine eigene Wahrnehmung in Bezug zu den Perspektiven der Interviewpartner*innen. In Gesprächen mit verschiedenen Teilnehmenden konzentrierte ich mich auf drei prägnante Fragen, stets im Sinne von „Weniger ist mehr“ und einer pragmatischen Ausrichtung auf das Wesentliche.

Diese persönlichen Dialoge verfolgen nicht nur das Ziel, inhaltliche Höhepunkte der Konferenz zu dokumentieren, sondern auch individuelle Perspektiven und Meinungen einzufangen. Auf diese Weise entsteht ein umfassendes Bild der DHd-Konferenz, das über den bloßen Ablauf hinausgeht und die Vielschichtigkeit der Veranstaltung widerspiegelt.

  1. Welche drei Keywords beschreiben für dich die Konferenz?

Drei Schlüsselbegriffe zur Konferenz kristallisierten sich heraus, wobei die Stichwörter „generative KI“ und „LLM“ besonders häufig genannt wurden. Die überwiegende Mehrheit der Befragten charakterisierte die Konferenz als äußerst divers und herausragend interdisziplinär. Auffallend ist, dass das Publikum nicht nur durch seine ausgeprägte Diskussionsbereitschaft beeindruckte, sondern auch ein beträchtliches Vorwissen (vor allem in den Workshops) mitbrachte.

Die präsentierten Stichpunkte verdeutlichen den Informationsgehalt der Veranstaltung, deren Kernpunkte durch die Schlagwörter „it’s connecting,“ „heterogen,“ und „Fächerverhältnis“ treffend umschrieben werden können. Es wurde betont, dass, obwohl ähnliche Diskussionen jedes Jahr stattfinden, die diesjährige Tagung durch eine erhebliche Anzahl an Neuigkeiten geprägt war.

Die Themenschwerpunkte erstreckten sich dabei über LLM- und Transformer-Technologien bis hin zu kulturellen Aspekten, Nachnutzbarkeit und Nachhaltigkeit der generierten Daten. Ebenfalls im Fokus standen Diskussionen zu Künstlicher Intelligenz (KI) und Vertrauen sowie dem Verhältnis der Fachgebiete im umfassenden Kontext des Big Tents. Zudem spielte der Themenkomplex der Nachhaltigkeit eine maßgebliche Rolle.

Am Ende dieses Beitrags steht eine Wordmap mit Begriffen aus den Konferenztiteln und den genannten Inhalten der Interviewpartner*innen zur Verfügung. Wer mag, kann gerne einen Vergleich anstellen, um Parallelen zu erkennen.

  1. Was war für dich unerwartet oder spannend?

Für mich persönlich erwiesen sich die Abweichungen in der Workshop-Gestaltung im Vergleich zu den Erwartungen als unerwartete, sehr positive Aspekte. Ein herausragendes Beispiel hierfür war die eigenmächtige Beschädigung eines Collaborative Tools (Google Colab) durch die Workshopleitung während des Workshops, was erneut die hohe Spontaneität und lösungsorientierte Arbeitsweise in den Digital Humanities verdeutlichte. Insgesamt wurden die Workshops durchgehend als aufschlussreich und bereichernd beschrieben. Besonders beeindruckend war die disziplinierte Teilnahme aller Workshop-Teilnehmer, die bereits um 9 Uhr anwesend waren, so die Workshop-Leitung.

Der Aspekt der LLM und generativen KI tauchte vor einiger Zeit als neues Thema auf, was für alle Beteiligten Neuland bedeutete und zu intensiven Diskussionen sowie überraschend starken emotionalen Reaktionen führte. Das Unklare und Unerwartete in diesem Kontext unterstreicht die Dynamik und Vielschichtigkeit der Veranstaltung.

Spannend waren für die meisten Interviewees die Vorträge über die Nutzungsanwendungen von Transformer-Architekturen und Chatbots. Besonders fesselnd gestaltete sich die Fishbowl-Diskussion, die nicht nur durch das innovative Format beeindruckte, sondern auch durch den Gehalt selbst. Sie verschaffte ein neues Verständnis für die zukünftige Entwicklung der Digital Humanities – ein „Quo Vadis“ der Disziplin.

Faszinierend war zudem die Beobachtung, dass sich die Forschungsfragen vermehrt über Digitale Editionen hinausbewegen und weiterführende Analysen der Forschungsdaten in den Mittelpunkt rücken, wie auch in der Keynote bemerkt wurde.

  1. Hast du einen Tipp für Digital Humanists, die am Beginn ihrer Karriere stehen?

Auswahl der Empfehlungen der Interviewpartner*innen:

„Besucht Konferenzen, präsentiert eure Arbeit und lasst euch nicht abschrecken. Jeder fängt irgendwo an.“ – Clemens

„Nehmt alles mit, was ihr kriegen könnt.“ – Linda

„Ausprobieren und aktiv teilnehmen.“ – Lina

„Sucht euch einen Platz im Big Tent und lasst euch nicht von der Überwältigung entmutigen, sonst könnte es frustrierend werden.“ – Manuel

„Bewerbt euch, wenn möglich, um Stipendien und Posterpräsentationen und versucht, Anschluss zu finden. Habt keine Scheu.“ – Martina

„Engagiert euch im Dialog, sprecht mit Menschen und ergreift aktiv die Initiative.“ – Martin

Fazit

Über die Fülle und Dynamik der DHd-Konferenz könnte ich hier noch lange schreiben, doch möchte ich lieber die beeindruckende Visualisierung durch die Wordmap für sich stehen lassen. Der Besuch einer solchen Veranstaltung, besonders für Neulinge in einem Fachgebiet, offenbart eine wahrhaft bereichernde Erfahrung. Somit möchte ich mich herzlich bei NFDI4Culture bedanken, dass sie mir die Teilnahme an der Konferenz ermöglicht haben.

Wordmap aus Vortragstiteln der DHd2024

[1] Patrik Svensson: Beyond the Big Tent. In: Debates in the Digital Humanities, 2012, pp. 36-72, URL:

https://www.jstor.org/stable/10.5749/j.ctttv8hq.7 (Zugriff 07.03.2024)

[2] Begriff von Michaela Mahlberg aus der Closing Keynote der Konferenz am Freitag, 01.03.2024. URL: https://dhd2024.dig-hum.de/programm-events/

Kleines Gedicht als Bonus:

Menschen, die wie Wellen aus Hörsälen rauschen

große Fragen – kleine Pausen

hello world



Julia Hintersteiner

Kommentar schreiben