Vortrag: Einheit in der Vielheit: Edition, Forschungsdaten und computergestützte Analysen zu Alexander von Humboldts Kosmos-Vorträgen von Christian Thomas (Berlin/Weimar), 06.12.2023, Humboldt-Universität zu Berlin

0 Veröffentlicht von Sophie Eckenstaler am

Im Rahmen der Vortragsreihe Werkzeug. Zur Praxis computergestützter Forschung in den Geistes- und Kulturwissenschaften, veranstaltet von der Kompetenzwerkstatt Digital Humanities (KDH) an der Humboldt-Universität zu Berlin, wird Christian Thomas (Berlin/ Weimar) die wichtigsten Ergebnisse seiner kürzlich an der Humboldt-Universität zu Berlin erschienenen Dissertation sowie die zu deren Erarbeitung angewandten Methoden präsentieren.[1] Der Vortrag fokussiert auf den Einsatz verschiedener Werkzeuge aus dem Bereich des Natural Language Processing (NLP) sowie im weiteren Sinne der Digital Humanities (DH) zur Bearbeitung und heuristischen Beantwortung literatur- und editionswissenschaftlicher Fragestellungen. Analysiert wird ein etwa 3500 handschriftliche Seiten umfassendes Volltextkorpus zu Alexander von Humboldts sogenannten Kosmos-Vorträgen (Berlin, 1827/28).[2] Da Manuskripte des Vortragenden nicht vollständig und nicht in ihrer ursprünglichen Form überliefert sind, stellen die im Korpus enthaltenen Mitschriften, Nachschriften und deren Abschriften aus dem Kreis der Hörerinnen und Hörer die wichtigsten Quellen zu den Inhalten der Kosmos-Vorträge dar.

Editionstheoretische Überlegungen, wie mit diesem Quellenbestand in einer (Digitalen) Edition zu verfahren ist, leiten über zu exemplarischen Untersuchungen des Korpus. Dabei kommen neben ‚traditionell hermeneutischen‘ Methoden vor allem quantitative Untersuchungen und Verfahren wie automatische Kollation bzw. Plagiatssuche zum Einsatz. Es wird gezeigt, wie die eingesetzten NLP- bzw. DH-Werkzeuge helfen können, ein so umfangreiches Textkorpus zu strukturieren und für konzentrierte Lektüren zu erschließen, ohne dabei früheren – nicht nur aus heutiger Sicht inadäquaten – editorischen Ansätzen einer Reduzierung der Quellenvielfalt folgen zu müssen. Voraussetzungen zur Arbeit mit Editionen bzw. Korpora wie diesem sind einerseits die umfangreiche editionsseitige Dokumentation der Überlieferungssituation, der Quellenbasis und des Digitalisierungsprozesses, vor allem der möglichst generischen, zum Teil jedoch zwangsläufig projektspezifischen Richtlinien zur Transkription und Annotation der Volltexte sowie der Möglichkeiten zu deren Nachnutzung. Nutzer:innenseitig ist entsprechend ein höheres Maß an ‚Data & Tool Literacy‘ erforderlich, wobei gezeigt wird, wie selbst vergleichsweise einfache, anwendungsbereite Werkzeuge unter Einbezug basaler Annotationen in die Analyse effizient und zielführend eingesetzt werden können.

Eine der Leitfragen des Vortrags ist, inwieweit Humboldts berühmte Kosmos-Vorträge mit diesen Methoden und auf der Grundlage einer parallelen, gleichwertigen Digitalen Edition aller überlieferten Textzeugen rekonstruierbar sind – oder vielmehr: ob dies überhaupt ein sinnvolles und grundsätzlich erreichbares Ziel sein kann.[3] Inwiefern dies nicht der Fall ist und was dies für die Edition und Analyse von Quellen aus dieser und vielen anderen vergleichbaren Überlieferungssituationen bedeutet, ist die sehr viel interessantere zentrale Frage im Anschluss.

Christian Thomas ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Akademienvorhaben „Alexander von Humboldt auf Reisen – Wissenschaft aus der Bewegung “ an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sowie im Akademienvorhaben „Propyläen – Goethes Biographica “ an der Klassik Stiftung Weimar. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich Digitaler Editionen und Korpora.

Literatur und Forschungsdaten
[1] Christian Thomas: „… ein Gemisch von Gehörtem und selbst Zugeseztem“. Nachschriften der ‚Kosmos-Vorträge‘ Alexander von Humboldts: Dokumentation, Kontextualisierung und exemplarische Analysen. Dissertation, Humboldt-Universität zu Berlin: edoc-Server, Version 1.0 vom 1. November 2023. DOI: https://doi.org/10.18452/27521.
[2] Dieses Korpus wurde im Zuge des Projekts Hidden Kosmos der Humboldt-Universität durchgehend einheitlich im internationalen de facto-Standard der Text Encoding Initiative (TEI) annotiert und im Deutschen Textarchiv (DTA) der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) veröffentlicht. Siehe Hidden Kosmos—Reconstructing Alexander von Humboldt’s »Kosmos-Lectures« (2014–2016), Humboldt-Universität zu Berlin, https://www.culture.hu-berlin.de/de/forschung/projekte/hidden-kosmos/; Subkorpus „Alexander von Humboldts Kosmos-Vorträge“ im Deutschen Textarchiv, BBAW, https://www.deutschestextarchiv.de/search/metadata?corpus=avhkv.
[3] Christian Thomas: “You Can’t Put Your Arms Around a Memory: The Multiple Versions of Alexander von Humboldt’s ‘Kosmos-Lectures’ (1827/28).” In: Versioning Cultural Objects. Edited by Roman Bleier and Sean M. Winslow. Schriften des Instituts für Dokumentologie und Editorik, 13. Norderstedt: Books on Demand, 2019, pp. 77–99. https://kups.ub.uni-koeln.de/10650; urn:nbn:de:hbz:38-106501.

Hinweis zur Veranstaltung

Datum: 6.12.2023, 14-16 Uhr

Ort: Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum, Auditorium (Universitätsbibliothek, Geschwister-Scholl-Straße 1/3, 10117 Berlin)

Die Veranstaltung findet hybrid statt. Zugangsdaten schicken wir nach Anmeldung per Mail an ub.makerspace@hu-berlin.de.

Weitere Informationen zur Vortragsreihe Werkzeug auf der Homepage der KDH

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