„Man ist auch Dolmetscherin für die verschiedenen Disziplinen“ – Katrin Moellers Weg in die Forschung
Eine Karriere in der Wissenschaft? Zu unsicher, zu kompetitiv, denken viele Studierende. Besonders in stark interdisziplinären Fächern wie den Digital Humanities kommt der Zweifel über die eigenen Fähigkeiten hinzu: Kenne ich mich wirklich gut genug in meinen Fachgebieten aus? Und wie komme ich eigentlich in die Forschung? Fragen, die auch mich als Erstsemester der Digital Humanities an der Universität Bamberg umtreiben. Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, habe ich über Zoom einige Interviews mit Wissenschaftler:innen am Rande der DHd2022 über ihren Weg in die Forschung geführt, die nun hier im DHd-Blog gepostet werden. Die Interviews sind zugleich mein Medienbeitrag als Reisestipendiat der DHd.
Dies ist das vierte Interview der Reihe und wurde am 14.03.2022 geführt.
Wie bist Du bei den Digital Humanities gelandet?
Das kam eigentlich tatsächlich durch meine persönlichen Interessen, auf die ich mich dann im Studium nochmal konzentriert habe. Als ich angefangen habe, zu studieren, habe ich auch Vorlesungen und auch Lehrveranstaltungen besucht, in denen es um technische Dinge ging. Ich hatte Glück, weil mein Professor Kersten Krüger in Rostock noch einer von denen war, die in den 70er Jahren ganz viel mit großen statistischen Analysen gemacht haben, die dann in den 90er-Jahren nicht mehr so beliebt in der Geschichtswissenschaft waren. Aber er hat uns das trotzdem nahegebracht und hat mit uns dann tatsächlich auch SPSS-Kurse gemacht. In meiner Dissertation hatte ich vor, eine Tabelle über die Hexenprozesse in Mecklenburg anzufangen, woraus dann eine ziemlich komplexe Datenbank entstanden ist mit den über 4000 Hexenprozessen, die es in Mecklenburg gab. Das hätte ich ohne quantitative Auswertungen auch nicht so analysieren können.
Was gefällt Dir am meisten an der Arbeit in der Forschung? Siehst Du auch Nachteile im Vergleich zur freien Wirtschaft?
Ich fand die Forschung schon immer total lebendig und spannend, weil man eben viele Dinge miteinander verbinden kann, die man sonst nicht auf einem Ort hat. Ich kann meine Forschungsziele und Projekte selbst bestimmen und selbst mit festlegen, was ich eigentlich erforschen möchte. Und ich kann auch an viele Orte gehen, um das zu realisieren, angefangen vom Archiv über die Bibliotheken bis hin zu großen forschungsbasierten Datenbeständen. Diese Freiheit, tatsächlich auch zu bestimmen, was ich mache, fasziniert mich bis heute. Ein Nachteil zur Wirtschaft ist natürlich, dass man auch überrannt wird mit Ideen und Wünschen, gerade auch, wenn man wie ich Schnittstelle für viele verschiedene Projekte ist. Das ist nicht immer ganz einfach, weil man sich auch immer wieder abgrenzen und klarstellen muss, wohin man will, um sich nicht in tausenden von Projekten zu verlieren. Die Informatik hat ja auch einen Servicecharakter für viele. Niemand kommt mehr ohne digitale Ansätze und Techniken aus, aber gleichzeitig hat niemand Zugriff auf Ressourcen oder die Manpower, um solche Dinge dann auch wirklich adäquat umzusetzen. Deshalb ist man auch Dolmetscherin für die unterschiedlichen Disziplinen.
Was fasziniert Dich an Deinem Forschungsgebiet am meisten?
Ich habe einfach totalen Spaß an Geschichtswissenschaft. Ich arbeite gerne im Archiv, wo man neue Dinge entdecken kann und ich arbeite gerne in Digital Humanities, weil man lange an Daten poliert, bastelt, schraubt, bis sie so weit sind, dass man sie auswerten kann. Dann ist man echt gespannt, was da eigentlich rauskommt. Und das ist immer wieder total spannend.
Woran arbeitest Du im Moment oder was ist Dein nächstes Projekt?
Hier am Historischen Datenzentrum Sachsen-Anhalt wollen wir für die Regionalgeschichte Dinge im digitalen Bereich voranbringen. Unter anderem möchten wir ein biographisches Lexikon einrichten. Wir haben uns jetzt große Datenbestände mit Biografien vorgenommen, um diese über Eigennamenerkennung und andere Techniken zu erschließen. Auf der größeren Ebene hoffe ich, dass jetzt 4Memory in der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur gefördert wird, um in dem großen Netzwerk der NFDI auch etwas für die Geschichtswissenschaft aufzubauen. Da drücke ich ganz fest die Daumen, dass das klappt.
Katrin Moeller ist promovierte Historikerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und seit 2008 Leiterin des Historischen Datenzentrums Sachsen-Anhalt. Auf der DHd2022 war sie am Workshop „Die CARE-Prinzipien und ihre Implikationen für geisteswissenschaftliche FDM-Services“ beteiligt und hielt zusammen mit Jan Michael Goldberg den Vortrag „Automatisierte Extraktion und Klassifikation von Variantenschreibungen historischer Berufsbezeichnungen in seriellen Quellen des 16. bis 20. Jahrhunderts“.
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