„Anders als in anderen Berufen sieht in der Forschung kein Tag aus wie der andere“ – Melanie Althages Weg in die Forschung
Eine Karriere in der Wissenschaft? Zu unsicher, zu kompetitiv, denken viele Studierende. Besonders in stark interdisziplinären Fächern wie den Digital Humanities kommt der Zweifel über die eigenen Fähigkeiten hinzu: Kenne ich mich wirklich gut genug in meinen Fachgebieten aus? Und wie komme ich eigentlich in die Forschung? Fragen, die auch mich als Erstsemester der Digital Humanities an der Universität Bamberg umtreiben. Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, habe ich über Zoom einige Interviews mit Wissenschaftler:innen am Rande der DHd2022 über ihren Weg in die Forschung geführt, die nun hier im DHd-Blog gepostet werden. Die Interviews sind zugleich mein Medienbeitrag als Reisestipendiat der DHd.
Dies ist das dritte Interview der Reihe und wurde am 11.03.2022 geführt.
Wie bist Du bei den Digital Humanities gelandet?
Im Bachelor habe ich Geschichte und Philosophie studiert, im Master dann nur noch Geschichtswissenschaften, beides an der WWU in Münster. Mein erster Berührungspunkt mit den Digital Humanities war eine Übung zum Thema Semantic Web. Das war einfach etwas völlig anderes als das, was ich bisher so im Studium gemacht hatte. Im nächsten Semester habe ich dann eine Einführung in die Digital Humanities belegt und dann war‘s um mich geschehen. Ich habe Digital Humanities dann auch zu meinem Schwerpunkt im Masterstudium gemacht, weil das einfach ein unglaublich spannendes und dynamisches Forschungsfeld ist, in dem man auch selbst viel mitgestalten kann.
Was gefällt Dir am meisten an der Arbeit in der Forschung? Siehst Du auch Nachteile im Vergleich zur freien Wirtschaft?
Was ich an der Forschung sehr schätze, ist das hohe Maß an Eigenverantwortlichkeit, das man hat und das Vertrauen und die Wertschätzung, das einem für seine Arbeit entgegengebracht wird. Das finde ich unglaublich bereichernd und erfüllend. Anders als in anderen Berufen sieht in der Forschung kein Tag aus wie der andere. Klar, es gibt immer wiederkehrende Aufgaben, aber man lernt ständig dazu und wird ständig mit neuen Herausforderungen konfrontiert, aus denen man lernen kann. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter ist man außerdem auch in der Lehre aktiv und kann mitgestalten, wie die Studieninhalte für Studierende aussehen. Außerdem wirkt man an Tagungen, Konferenzen, Vortragsprogrammen oder schreibt an Forschungsanträgen mit. Du hast einfach sehr viele unterschiedliche Tätigkeitsbereiche und bist da sehr selbstständig. Das macht den Arbeitsalltag wahnsinnig vielfältig und spannend. Du hattest auch nach Nachteilen gefragt: Vor dem Hintergrund von #IchbinHanna oder #IchbinReyhan muss man natürlich auch erwähnen, dass zu dieser Selbstständigkeit und Eigenverantwortung auch gehört, dass man seine eigenen Arbeitszeiten kontrollieren sollte, dass man vielleicht nicht zu viel arbeitet. Und auch Befristungen sind natürlich ein großes Thema. Aber ich finde es auf jeden Fall ein unglaubliches Privileg, dass ich frei und unabhängig forschen darf. Vielleicht ist es auch ein Glücksgriff, dass mein Forschungsinteresse sich mit dem Profil unserer Professur deckt.
Was fasziniert Dich an Deinem Forschungsgebiet am meisten?
Das ist tatsächlich eine richtig spannende Frage und ich weiß gar nicht, ob ich für mich schon eine ausschöpfende Antwort gefunden habe. Wenn man sich die Frage stellt, wie der Werkzeugkasten der Historiker*innen um digitale Methoden erweitert werden kann, setzt man sich nochmal ganz anders mit dem eigenen Forschungsprozess auseinander und denkt auch über die Quellen nochmal aus einer anderen Perspektive nach. Es gibt ja das Bild vom hermeneutischen Zirkel: Ich gehe an meine Quelle schon mit einem Vorwissen heran und während ich diese Quelle durcharbeite, entwickelt sich mein Wissen immer weiter und so auch die Kriterien, die ich an sie anlege. Im digitalen Workflow muss man das alles sehr viel stärker explizieren und anderen transparent machen, wie man da vorgegangen ist. Bei traditionellen Forschungsarbeiten erklärt man auch immer die Methode, aber wie genau und in welcher Reihenfolge man vorgegangen ist, welche Entscheidungen getroffen hat auf dem Weg zu dem Forschungsergebnis, das wird jetzt im digitalen Arbeitsprozess sehr viel strukturierter, systematisierter. Ich fand, dass Amalia Levi in der Opening Keynote sehr prägnant hervorgehoben hat, dass der Computer aktuell vorwiegend auf der Textoberfläche arbeitet. Damit können wir vor allem untersuchen und auswerten, was tatsächlich gesagt wird, aber alles andere, das, was ungesagt bleibt oder nur angedeutet wird, das bleibt ein Stück weit unberücksichtigt. Und es stellt sich die Frage: Wie können wir das eigentlich operationalisieren? Und was heißt das für die Geschichtswissenschaften? Generell finde ich, dass die Geschichtswissenschaften mit ihrem quellenkritischen Ansatz ein gutes Instrumentarium an die Hand geben, um mit digitalen Werkzeugen, aber auch mit aktuellen Medien umzugehen, Stichwort Fake News. Aber das muss eben noch bereit gemacht werden für das digitale Zeitalter. Da hoffe ich einfach mit meiner Arbeit einen kleinen Beitrag leisten zu können.
Woran arbeitest Du im Moment oder was ist Dein nächstes Projekt?
Ich arbeite gerade an meiner Dissertation, in der ich mich methodenkritisch mit der Adaptierbarkeit digitaler Textanalysemethoden für den Werkzeugkasten der Historiker*innen auseinandersetze. Ganz konkret bin ich aktuell noch dabei, verschiedene Verfahren für Topic Modeling miteinander zu vergleichen, und zu schauen, inwiefern die für historische Fragestellungen anwendbar sind. Andere Projekte sind Aufsätze zum Thema Algorithmenkritik, an denen ich gerade beteiligt bin, und ich schreibe für ein Studienbuch gerade an einer Einführung für Data Mining. Und ansonsten steht bald wieder Lehre an. Das ist auch immer ein Projekt, wie ich finde.
Melanie Althage ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Digital History an der Humboldt-Universität zu Berlin. Auf der DHd2022 präsentierte sie im Doctoral Consortium ihr Dissertationsprojekt zu „Digitale Methodenkritik – Die Integration computergestützter Textanalyseverfahren in den Werkzeugkasten der Historiker:innen“.
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