CFP: Korrigieren – eine Kulturtechnik (19.-20.11.20, Dortmund)
Konferenz am 19.–20. November 2020 | Fritz-Hüser-Institut, Dortmund
Veranstalter*in: Dr. Iuditha Balint (Dortmund) & Prof. Dr. Thomas Ernst (Amsterdam/Antwerpen) unter Mitarbeit von Janneke Eggert (Dortmund)
Prozesse des Korrigierens bilden neben dem eigentlichen Schreibprozess das Fundament der literarischen und wissenschaftlichen Produktion. Sie bleiben jedoch zumeist im Verborgenen, was eine Erklärung für die Beobachtung sein könnte, dass sie bislang lediglich peripher untersucht worden sind. So bietet es sich an, sich im Rahmen einer Konferenz intensiver dem Korrigieren zu widmen, wobei wir einerseits die Korrektur in einem allgemeinen Sinne (angelehnt an lat. corrigere) als das Verbessern von Fehlern in einer Schrift begreifen, andererseits jedoch erst auf der Konferenz eine genauere begriffliche Differenzierung verschiedener Korrekturformen und eine Abgrenzung des Begriffs bzw. der Kulturtechnik gegen verwandte Verfahren diskutieren möchten (man denke an Kommentar, Annotation, Redigat, Druckfehler, Übersetzung etc.).
Betrachten möchten wir diese Kulturtechnik vor dem Hintergrund zunehmender kollaborativer Schreib- und Korrekturprozesse – die durch die Nutzung Sozialer Medien verstärkt zu beobachten sind –, für deren Analyse sowohl eine historische Aufarbeitung als auch eine breitere Diskussion verschiedener Korrekturphänomene notwendig ist. Auch interessiert uns das Korrigieren als Tätigkeit, die einerseits den Produktionsverhältnissen unterworfen ist und andererseits selbst zur Produktion und Destruktion, Ergänzung und Verbesserung, Entstellung und Überschreibung von Texten beiträgt. Zudem sind im Regelfall literarische und wissenschaftliche Schreibprozesse mit der Vorstellung einer singulären und souveränen Autorschaft verbunden, diese wird im Korrekturprozess jedoch möglicherweise erweitert. Schließlich werden im (zumeist nicht öffentlichen) Korrekturprozess ästhetische, stilistische, grammatikalische und inhaltliche Regelsysteme angewandt, die zugleich eine normierende Funktion haben.
Im Fokus der Konferenzgespräche sollen textbasierte Medien wie Buchmanuskripte, Handschriften, Postings in Sozialen Medien oder etwa Klausuren und Hausarbeiten stehen. Insbesondere interessieren wir uns für Korrekturen im Bereich der Literatur im engeren Sinne sowie in den Gesellschafts- und Geisteswissenschaften, wobei unterschiedliche Forschungsbereiche und Disziplinen wie etwa (Editions-)Philologien oder die Digital Humanities in den Blick genommen werden können. Ein besonderes Augenmerk wollen wir auf die Potenziale der automatisierten Korrektur mit digitalen Methoden sowie die kollaborative Korrektur in Sozialen Medien legen. Mögliche Themenbereiche der Konferenz sind die folgenden (wobei die Organisator*innen auch für Themen offen stehen, die an diese Fragestellungen anschließen oder sie ergänzen):
Korrigieren im Medienwandel: die technische und medienhistorische Dimension
- Inwiefern lassen sich medienhistorisch spezifische Korrekturprozesse in Handschriften / im Zeitalter des Buchdrucks / in der digitalen Gesellschaft bzw. in Sozialen Medien beschreiben?
- Welche neuen Standards für Korrekturprozesse haben sich unter Zuhilfenahme digitaler Verfahren (DH) u.a. im Bereich der Edition, der Forschungsdatenaufbereitung, der Spracherkennung durchgesetzt?
Korrigieren als Kommunikationssystem und Prozess: die logistische, ökonomische und rechtliche Dimension
- Welche logistischen Verfahren haben sich für unterschiedliche Korrekturprozesse (wie das (Selbst-)Lektorat, die Finalisierung von Druckfahnen etc.) etabliert? Welche Personen sind daran beteiligt und was/wen repräsentieren sie?
- Welche rechtlichen und/oder ökonomischen Dimensionen spielen im Korrekturprozess eine Rolle und inwiefern bestimmen diese Dimensionen den Korrekturprozess (und damit auch das finale Werk)?
Normen und Öffentlichkeiten des Korrigierens: die normative Dimension
- Welche Regularien für den Sprachgebrauch, den Stil, die Argumentation, die Inhalte, die Rechtschreibung, Zitationen etc. existieren für die Korrektur?
- Welche (verborgenen) Normen bzw. Ideale spielen dabei eine Rolle (z.B. einheitliche Rechtschreibvorschriften) und welche normative bzw. ausschließende Funktion erfüllen diese Normen?
Korrigieren in der Praxis: die praxeologische Dimension
- Wir werden selbst Praktiker*innen des Korrigierens (Autor*innen und Lektor*innen wie Mara Genschel und Dirk von Gehlen) einladen, die aus ihrer Praxis berichten und mit denen wir ins Gespräch kommen möchten (bitte nicht bewerben).
- Die Konferenzbeiträge werden vorab einem Online-Korrekturprozess unterzogen, der auf der Konferenz reflektiert werden soll (siehe unten).
Abstracts von max. einer Seite für einen 25-minütigen Vortrag, kurzbiographische und ggf. themenbezogene bibliographische Angaben können bis zum 17. Mai 2020 bei Janneke Eggert unter jeggert@stadtdo.de eingereicht werden. Im Juni erhalten Sie eine Rückmeldung zur Beitragsannahme.
Zur Planung: Eingeladene Referent*innen werden gebeten, eine erste Version ihres Konferenzbeitrags (max. 15.000 Zeichen inkl. Leerzeichen) bis zum 11. Oktober 2020 einzureichen. Jede*r Referent*in übernimmt dann die Online-Korrektur/Annotation eines anderen Beitrags. Die Open-Access-Veröffentlichung ausgewählter Beiträge in einer renommierten Buchreihe ist geplant.
Die Konferenz findet am 19. und 20. November 2020 in Dortmund statt. Kosten für Reise und Unterkunft werden übernommen. Sollte es die Bekämpfung der COVID-19-Pandemie notwendig machen, werden wir die Tagung auf einer stabilen digitalen Plattform durchführen.
Eine Kooperation des Fritz-Hüser-Instituts für Literatur und Kultur der Arbeitswelt mit dem Department Moderne Vreemde Talen en Culturen der Universiteit van Amsterdam und dem Departement Letterkunde der Universiteit Antwerpen.
Die Informationen in der Übersicht finden Sie auch hier:
https://networks.h-net.org/node/79435/discussions/6097669/cfp-korrigieren-–-eine-kulturtechnik
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