TextGrid in der Lehre zur Unterstützung der funktionalen Textanalyse in Liebesbriefen

0 Veröffentlicht von Canan Hastik am

Seit dem Sommersemester 2019 wird an der Universität Koblenz-Landau am Institut für Germanistik im Übungsseminar “Funktionale Textanalyse” (unter der Leitung von Prof. Dr. Eva L. Wyss und Dr. Canan Hastik) die konventionelle Textanalyse mit digitalen computerphilologischen Analysemethoden und -werkzeugen kombiniert und erprobt. Die Zielgruppe, Germanistikstudierende mit Schwerpunkt Lehramt, haben in der Regel weder Erfahrung im Umgang mit TextGrid noch mit anderen digitalen Text-Analysewerkzeugen.

Abbildung 1: Auszug eines Briefes (LB_00688_0013) von 1929 der Vortragskünstlerin Margarete Pracht, aka "Grit Lindstroem", die in den Ostseebädern auftrat und die die Geliebte von Paul Müller war.

Abbildung 1: Auszug eines Briefes (LB_00688_0013) von 1929 und Transktipt mit Auszeichnungen

In einem ersten Schritt erfolgt eine theoretische Einführung in die funktionale Textanalyse mit Fokus auf Abgrenzungshinweise, Hinweise zur Textfunktion und Merkmalen zur Textualität. Hier werden am Beispiel der alltagssprachlichen Briefe des Liebesbriefarchivs Koblenz relevante Hinweiskategorien und entsprechende Belege zu diesen textlinguistischen Ebenen gesammelt. Dabei wird schnell deutlich, dass durch die Kontextabhängigkeit der Textfunktionen die Bestimmung der funktionalen Kategorien nicht immer eindeutig ist und es durchaus vorkommt, dass sich darüber hinaus bisweilen die einzelnen Analyseebenen nicht immer klar voneinander abgrenzen lassen und sich teilweise sogar überschneiden können (z.B. bei “salute” und “closer”) (s. Abbildung 1). Diese methodologischen Herausforderungen werden in den Arbeitsgruppen durch angeregte Diskussionen identifiziert und in vorläufige – auch explorative – Definitionen überführt.  

Die virtuelle Arbeitsumgebung TextGrid wird zur Unterstützung der kollaborativen Arbeit eingesetzt. Mit dem TextGrid Laboratory ist ein Zugriff auf fachwissenschaftliche Werkzeuge, Services und Inhalte gegeben. Das TextGrid Repository garantiert darüber hinaus die langfristige Verfügbarkeit und Zugänglichkeit geisteswissenschaftlicher Forschungsdaten, hier der korrigierten Transkripte aus dem Liebesbriefarchiv. In der Vorbereitung wird pro Seminar bei 30 Teilnehmer*innen die Anwendung über einen DARIAH-Account installiert. Dies gelingt grundsätzlich gut, aber die Heterogenität der zur Lehrveranstaltung mitgebrachten Arbeitsgeräte erfordert eine enorme Einsatzbereitschaft der Lehrkräfte. Nicht zuletzt ist es die sehr gut aufbereitete Dokumentation der virtuellen Arbeitsumgebung, die die Herstellung der Arbeitsumgebung für alle Seminarteilnehmer*innen unterstützt und fördert.

Die TextGrid-Einführung und -Übung stellt die wichtigsten Werkzeuge des TextGridLab und deren grundlegende Funktionen vor, insbesondere auch die Objektverwaltung. Dies bildet auch einen Schwerpunkt der Veranstaltung, in der die Objektverwaltung mit den Funktionen, Dateien anlegen, importieren und exportieren, Metadatenverwaltung und -pflege gelernt und geübt wird. Dies erfolgt in einer ersten Übungsphase mit wissenschaftliche Transkriptionen einer Auswahl an Briefen, die nach einem zuvor für den Liebesbriefbestand optimierten Set an Richtlinien generiert wurden. In einem weiteren Übungsschritt werden in diesen Transkriptionen textstrukturelle Komponenten, wie Anrede und Grußformel sowie Liebeserklärungen ausgezeichnet. Dies ermöglicht und erzeugt zugleich eine textpragmatische Sicht auf den Bestand (s. Abbildung 2).

Abbildung 2: Konkordanz der Liebeserklärungen (declove) des Briefbündels LB_00688 des LBA, erstellt mit AntConc (21.3.2020).

Abbildung 2: Konkordanz der Liebeserklärungen (declove) des Briefbündels LB_00688 des LBA, erstellt mit AntConc (21.3.2020).

In einer dritten und letzten Übungsphase werden eigene Fragestellungen zu den gruppenweise zu bearbeitenden Briefsamples formuliert und mit text- und korpusbasierten Analyseinstrumenten untersucht und überprüft. 

Auch im kommenden Semester wird TextGrid wieder als virtuelle Arbeitsumgebung in dem Seminar eingesetzt und ermöglicht damit, den Bestand nicht nur weiter zu erschließen und ihn zugänglich zu machen, sondern gleichzeitig die Nutzung von TextGrid im Rahmen fachspezifischer Verarbeitungspipelines zu erproben und den wissenschaftlichen und didaktischen Wert des Instruments TextGrid idealerweise zur Darstellung zu bringen. 

 

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