DHd 2019 – Das Interview

1 Veröffentlicht von Armin Hoenen am

Am Donnerstag, den 28.03.2019 hat sich Prof. Dr. Christof Schöch, Vorsitzender des Verbandes Digital Humanities im deutschsprachigen Raum (DHd) anlässlich der Jahreskonferenz auf dieser bereit erklärt, ein kurzes Interview zur Verwertung in einem kurzen Film zur Konferenz zu geben. Da im Konferenzfilm nur Ausschnitte davon gezeigt werden, möchten wir hier das Interview als Transkript (bei dem Satzzeichen eingefügt und kleine Änderungen, wie das Weglassen von Interjektionen zur besseren Lesbarkeit vorgenommen wurden) zur Verfügung stellen.

Alle Daten stehen unter CC BY Lizenz. Zur Zitation geben Sie bitte den DHd-Blog an.

Frage 1: Was verbirgt sich für Sie hinter dem Begriff Digitale Geisteswissenschaften?

Die Frage nach dem Begriff oder der Definition der digitalen Geisteswissenschaften ist ein Klassiker des Diskurses über die Digital Humanities und deswegen würde ich auch gern mit einer klassischen Antwort beginnen, nämlich: Die digitalen Geisteswissenschaften sind ein Arbeitsfeld an der Schnittstelle von Informatik und Geisteswissenschaften. Man kann aber sehr viele Antworten auf diese Frage geben, auch weniger klassische; ich empfehle immer gerne die Webseite whatisdigitalhumanities.com bei der man zufällig ausgewählte Definitionen sehen kann. Jedes Mal wenn man die Seite neu lädt, bekommt man eine andere aus einer Auswahl von 817 Definitionen angezeigt. Vor allem aber ist mir wichtig zu betonen, dass die digitalen Geisteswissenschaften eine Chance sind für die Geisteswissenschaften ihr Methodenrepertoire zu erweitern und eine Chance sind für die Informatik ihren Gegenstandsbereich sozusagen zu erweitern und neue komplexe vieldeutige Gegenstände aus den Geisteswissenschaften zu entdecken und mit ihren Methoden zu analysieren.

Frage 2: Wie wichtig sind solche Konferenzen, besonders im Bereich der Digitalen Geisteswissenschaften und sehen Sie Unterschiede zu anderen internationalen Konferenzen und Tagungen?

Ich glaube die Bedeutung der Konferenz für die Community der digitalen Geisteswissenschaften im deutschsprachigen Raum ist tatsächlich kaum zu unterschätzen [Anm. der Red.: gemeint war natürlich ‚kaum zu überschätzen‘]. Die Konferenz ist ein Kristallisationspunkt für solche Community-Building Effekte auch durch die Regelmäßigkeit: jetzt schon zum sechsten Mal. Sie ist gleichzeitig auch ein Schaufenster für die Community sowohl intern, also an andere Kollegen die sich auch schon als Teil der Community verstehen, als auch eben an neue Kolleginnen und Kollegen, die vielleicht noch nicht Mitglied im DHD Verband sind, aber neugierig sind auf das was hier passiert und sich das einmal anschauen können.

Wichtig ist mir beim Thema Community-Building aber auch, dass die Konferenz nicht die einzige Aktivität des DHd Verbands ist, die für diese Community zentral ist, sondern dass ganz wichtig auch die Arbeitsgruppen des DHD Verbands sind, wo sich spezifischere speziellere Communities, Sub-Communities finden und bilden können. Es gibt ungefähr zehn solcher Arbeitsgruppen zu Themen wie digitale Rekonstruktion, Curriculums-Debatten zu Film und Video als Analysegegenstand oder auch zu Datenzentren.

Frage 3: Welcher Bereich innerhalb der Digital Humanities interessiert Sie persönlich am meisten?

Mein größtes persönliches Interesse im Bereich der Digital Humanities liegt ziemlich klar im Bereich der quantitativen Verfahren der Textanalyse für literaturwissenschaftliche und literaturhistorische Fragestellungen. Das hat auch etwas mit meinem Hintergrund zu tun. Ich bin Literaturwissenschaftler und verstehe mich eben auch als digitaler Literaturwissenschaftler, was aber nicht bedeutet, dass ich nicht neugierig bin auf andere Ansätze, die außerhalb dieses Bereichs stehen und gerade dafür ist die DHD Konferenz eine ganz wunderbare Gelegenheit zu sehen was sich in anderen Bereichen tut.

Frage 4: Haben Sie hierzu bereits Veranstaltungen auf der DHd besucht bzw. sich vernetzen können oder werden Sie dies tun?

Ja, ich habe bereits heute Vormittag Veranstaltungen besucht, Sessions besucht, die für dieses Thema relevant sind. Eine Session zu Corpus-Building in den Digital Humanities sowohl aus linguistischer als auch aus literaturwissenschaftlicher Perspektive und eine Session, die sich methodisch an Dinge anschließt, die mir sehr vertraut sind, aber das auf neue nicht textuelle Gegenstände anwendet: eine Session zur visuellen Stilometrie, die also genau dieses multimodale multimediale Thema aufgenommen hat.

Frage 5: Wie beurteilen Sie das diesjährige Konferenzthema multimedial & multimodal in Bezug auf die momentane gesellschaftliche Entwicklung im Bereich Digitalisierung?

Ich halte das Rahmenthema der Konferenz multimedial & multimodal für sehr relevant und sehr zeitgemäß. Wir haben uns sehr gefreut, dass dieses Thema vorgeschlagen wurde, weil wir eben sehen, dass die Digitalisierung sowohl in der Wissenschaft als auch in der Gesellschaft sich längst nicht mehr nur auf Text bezieht, sondern eben andere Medien, andere Modalitäten des kulturellen Ausdrucks einschließt: Bilder, Filme, Audiobjekte und dass das hier programmatisch in den Vordergrund gestellt wird finde ich sehr schön und sehr richtig.

Frage 6: Gegeben eine relativ geringe Beteiligung von Wissenschaftlern aus dem nur in Minderheitengebieten deutschsprachigen Ausland und der Schweiz, was könnte man tun, um die DHd in Zukunft für diese Teilnehmergruppen noch attraktiver zu gestalten und Beitragszahlen wie die aus Österreich zu erreichen?

Die Frage nach den Digital Humanities Communities in Ländern oder Regionen, in denen Deutsch keine Mehrheitssprache oder nicht die dominante Sprache ist, ist natürlich durchaus eine Herausforderung auch für den Verband und für die Community. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass man die DHd Konferenz eben auch mal in Kooperation mit einem Land wie Belgien, Luxemburg oder einer Region wie Südtirol organisiert und so die Konferenz in diese Gebiete trägt. Gleichzeitig glaube ich, dass wir mit der aktuellen Sprachpolitik bei der Konferenz gut aufgestellt sind, die eben vorsieht, dass man Beiträge auch auf Englisch einreichen kann oder auch auf anderen Sprachen, dass aber erwartet wird, dass der Vortrag auf Deutsch gehalten wird, weil eben die Mehrheit der Anwesenden doch Deutsch als erste Sprache sprechen. Gleichzeitig kann man durch den englischen Abstract, der ja veröffentlicht wird trotzdem die internationale Sichtbarkeit für sein Thema und für seine Arbeiten herstellen.

Frage 7: und zum Schluss:

Wenn Sie 3 Eigenschaften nennen müssten, die Digitale Geisteswissenschaftler positiv von anderen Forschenden abgrenzen, oder die sie sogar mitbringen sollten, um in diesem Bereich erfolgreich zu sein — sofern es solche Eigenschaften gibt — welche wären das?

Ich denke schon, dass es Eigenschaften gibt, die für Forschende in den Digital Humanities nützlich sind und die uns auch bis zu einem gewissen Punkt auszeichnen. Gleichzeitig würde ich sagen, dass man natürlich nie fertig ist mit der Arbeit an sich, an diesen Eigenschaften, sondern immer an sich arbeiten kann. Diese Eigenschaften sind meiner Meinung nach mindestens die folgenden 3, nämlich Offenheit. Damit meine ich sowohl Open, im Sinne von Open Access, Open Source, Open Data als auch Offenheit in der Kommunikation, Offenheit der Community, Durchlässigkeit der Community, eben Offenheit für neue Ideen, für neue Personen. Außerdem glaube ich, dass Neugier eine ganz wesentliche Eigenschaft von digitalen Geisteswissenschaftlern sein sollte und im Übrigen von Wissenschaftlern allgemein, hier würde ich also nicht sagen, dass das etwas Besonderes ist, aber über den Tellerrand zu schauen, in andere Disziplinen reinzuschauen, eben auch als Informatikerin oder Informatiker in die Geisteswissenschaften zu schauen, als Geisteswissenschaftlerin oder Geisteswissenschaftler in die Informatik zu schauen, das sind glaube ich schon wichtige Eigenschaften und zuletzt, das ist dann doch etwas Spezifisches für die Digital Humanities: die Lust auf Teamarbeit, auf arbeitsteilige Arbeitsprozesse in denen verschiedene Team-Mitglieder verschiedene Aspekte beitragen und dann gemeinsam zu einer Lösung kommen, die man alleine in einer Person nicht hätte leisten können. Diese 3 Eigenschaften Offenheit, Neugier, Teamfähigkeit, die halte ich für wichtig und für wünschenswert und für auch durchaus entwickelt in unserem Feld, aber eben auch immer für verbesserungsfähig.

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