Ergebnisse des Workshops „Erweitertes Publizieren in den Geisteswissenschaften“
Dieser Eintrag ist die Fortsetzung des Beitrags https://dhd-blog.org/?p=8696 und dokumentiert die Ergebnisse des Workshops „Erweitertes Publizieren in den Geisteswissenschaften“, der im Oktober 2017 am MPIWG in Berlin stattfand. Der erste Teil des Workshops bestand aus Projektvorstellungen und Diskussionen. Im Anschluss daran wurden die TeilnehmerInnen gebeten, Gedanken und Kommentare dazu auf Karteikarten zu schreiben. Diese Karten wurden zu Beginn des zweiten Teils dazu genutzt, grundlegende Themen für die weitere Arbeit zu identifizieren. Dazu wurden die insgesamt 51 Karten einzeln verlesen und dann auf einem großen Tisch in Gruppen aufgeteilt. Durch dieses Clustern ließen sich drei Schwerpunkte identifizieren: User, Daten und Rahmenbedingungen.
Diese Schwerpunkte bildeten die Grundlage für die folgende Gruppenarbeit nach der Methode World Café, bei der Arbeitsform wird in der Atmosphäre eines Cafés ein Austausch an Ideen angeregt. Die drei vorher identifizierten Themen bildeten den Konversationsschwerpunkt an den Cafétischen. Die TeilnehmerInnen verteilten sich auf diese Tische, um über das jeweilige Thema zu reflektieren. Wichtiger Aspekt des World Café ist, dass nach einer bestimmten Zeitspanne alle TeilnehmerInnen bis auf eine/n diesen ersten Tisch verlassen und sich – idealerweise in unterscheidlicher Personenkombination – anderen Tischen zuwenden. Dort werden sie von den jeweiligen GastgeberInnen in den dortigen Diskurs eingeführt und tragen während der nächsten Periode ihre Gedanken zu dem neuen Themenbereich bei, wodurch neue Verknüpfungen von Ideen entstehen.
Die Ergebnisse der Gruppenarbeiten lassen sich wie folgt zusammenfassen.
Tisch „User“
Dieser Tisch beobachtete neu entstehende Beziehungen zwischen den verschiedenen Akteuren. Da beim erweiterten Publizieren vermehrt Daten in anderen Formaten als nur Artikel entstehen, ist es sinnvoll, AutorInnen auch als DatenproduzentInnen zu verstehen, und die Rolle der Lesenden auf die Rolle von UserInnen auszuweiten. Dies schlägt auch eine Brücke zu Donald Knuths Konzept des literate programming, der Verwebung von Text und Computerprogramm.
Zwei Befürchtungen wurden zur Sprache gebracht. Einerseits die Sorge, dass Forschungsdaten an Wert verlieren, wenn sie öffentlich zugänglich sind und andererseits dass mit einer Veröffentlichung ein Kontrollverlust einhergeht. Durch die Wahl der Lizenz und die Angabe der AutorInnenschaft kann aber durchaus eine Kontrolle der Weiterverwendung und auch der Nachweis der Urheberschaft stattfinden.
Weiterhin wurde bemerkt, dass sekundäre Forschungsdaten, die im Forschungsprozess entstehen, unter Umständen wertvolle Nebenprodukte sind, die auch nachgenutzt werden sollten. Darunter fallen (kommentierte) Bibliographien, Linksammlungen, Datenbanken oder Präsentationen.
Tisch „Daten“
Die Rolle von Daten und vor allem die Möglichkeit ihrer Wiederverwendbarkeit stand war das Thema dieses Tisches. Es wurde diskutiert, wo Daten im Forschungsprozess anfallen, wie sie abgelegt werden und wie sie bestenfalls weiterverwendet werden können. Die Forschungsdaten wurden in drei Klassen eingeordnet: erhobene Daten, Erkenntnisse (z. B. in Form von Artikeln, die die Daten interpretieren) sowie Methoden (z. B. in Form von Computerprogrammen, mit denen die erhobenen Daten ausgewertet werden).
Allerdings wurde auch klargestellt, dass die Kompilierung von Forschungsdaten immer mit einer Forschungsfrage und einem Forschungskontext einhergeht, da diese zwei Faktoren bestimmen, was gesammelt und auch später archiviert wird. Gerade deshalb ist es ebenso wichtig, diese äußeren Gegebenheiten strukturiert als dazugehörige Metadaten mit zu veröffentlichen.
Tisch „Rahmenbedingungen“
Das elektronische und erweiterte Publizieren steht mit vielen anderen Aspekten des akademischen Umfelds in direkter oder indirekter Beziehung. Diesem Zusammenspiel wurde an diesem Tisch auf den Grund gegangen. Zentral war die Frage nach den Rahmenbedingungen im Publikationswesen und wie diese beeinflusst werden können. Das anschließende Brainstorming förderte zutage, dass die Rahmenbedingungen auf verschiedenen Ebenen der Beeinflussbarkeit angesiedelt werden können.
Die zum Workshop eingeladenen TeilnehmerInnen sind MultiplikatorInnen, die Innovationen wie das erweiterte Publizieren in die ihre Institutionen und Disziplinen tragen und dort etablieren können. Somit können in dem institutionellen, dem technischen und dem fachspezifischen Bereich Änderugen im Umgang mit Forschungsdaten und Publikationen angeregt und umgesetzt werden.
Auf höheren Ebenen, in denen soziologische und wissenschaftskulturelle oder politische und rechtliche Rahmenbedingungen zu verorten sind, sind grundlegende Veränderungen eher langfristige Prozesse. Sie sind aus Sicht der Arbeitsgruppe auch nur durch Einsatz von Mittelsleuten erreichbar, beispielsweise durch die DFG oder den Wissenschaftsrat.
Zusammenfassung
Das diesen Workshop dominierende Thema war die Rolle von Forschungsdaten im Publikationsprozess. In der Gruppenarbeit maßen insbesondere der Thementisch „Daten“, aber auch der Thementisch „User“ dem Aspekt der öffentlichen Forschungsdaten eine zentrale Rolle im Bereich der erweiterten Publikationen bei.
In allen Arbeitsgruppen hervorgehoben wurde die Wichtigkeit von öffentlichen Daten und ihrer Dokumentation. Dadurch würden der Wissenstransfer, die Nachhaltigkeit und die Zukunftssicherheit der Forschung garantiert. Die Speicherung und Archivierung der Daten sollte von überinstitutionellen (inter)nationalen Institutionen übernommen werden. Durch zentrale Repositorien dieser Art entsteht eine höhere Sichtbarkeit sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der wissenschaftlichen Community. Damit werden gleichzeitig gute Voraussetzungen geschaffen, dass Forschungsdaten auch in anderen Disziplinen nachgenutzt werden. Repositorientypische Funktionen wie Versionierung erlauben die Referenzierung eines älteren Standes und damit nicht nur die stete Aktualisierung von Forschungsdaten, sondern sie beiseiten auch das Problem, dass unfertige Daten unter Verschluss gehalten werden unter dem Vorwand, dass die Daten „noch nicht fertig“ seien.
Gerade der letzte Punkt wurde in den Diskussionen öfter zur Sprache gebracht, wenn es um die Verzögerung bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen geht. Die TeilnehmerInnen des Workshops waren sich einig, dass Daten so früh wie möglich veröffentlicht werden sollten, selbst wenn die Daten noch unvollständig oder nicht ganz bereinigt sind. Es besteht sonst die Gefahr, dass Daten nie publiziert werden, weil in Projektkontexten oft die Zeit fehlt, eine abschließende Überarbeitung und saubere Publikation vorzunehmen.
Die wichtigsten Ergebnisse des Workshops lassen sich in den folgenden vier Punkten zusammenfassen.
1. Forschungsdaten sollten in öffentlichen Repositorien abgelegt werden, weil sie dadurch eine hohe Sichtbarkeit bekommen und besser nachgenutzt werden können,
2. sie sollten gut dokumentiert sein, damit ersichtlich wird, in welchem Forschungskontext und mit welchen Methoden sie erhoben wurden
3. sie sollten möglichst früh im Forschungsprozess oder einer Projektlaufzeit veröffentlicht werden, damit sie besser gepflegt werden. Es besteht sonst die Gefahr, dass nach Ablauf des Projekts das Personal oder die Mittel fehlen, um die Daten zu bereinigen und zu veröffentlichen.
4. Die Einbindung von Forschungsdaten in erweiterte Publikationen wird durch diese Schritte erleichtert.
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