Neues Online-Portal: Digitaler Zeichenkatalog der Mayaschrift
Mit dem digitalen Zeichenkatalog der Mayahieroglyphen (A Digital Catalog of Maya Hieroglyphs) steht seit Kurzem eine neue Open-Access-Forschungsressource online, die epigraphische Grundlagenforschung mit digitalen Methoden verbindet. Ein deutsch– und ein englischsprachiger Einführungstext bieten sowohl eine inhaltliche Orientierung als auch ein Handbuch zur Nutzung der Such- und Filterfunktionen des Onlineportals. Entwickelt wurde die Plattform im Rahmen des Langzeitprojekts Textdatenbank und Wörterbuch des Klassischen Maya an der Universität Bonn. Gefördert wird das Projekt seit 2014 von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste sowie von der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, geleitet von Prof. Dr. Nikolai Grube und koordiniert von Dr. Christian Prager. Arbeitsstelle des Projekts ist die Abteilung für Altamerikanistik, Universität Bonn, während die SUB Göttingen und das Cologne Center for eHumanities (CCeH) die Digital-Humanities-Komponenten umgesetzt haben.
Der Katalog knüpft an eine lange Tradition von Zeichenkatalogen der Mayaschrift an, die seit 1931 publiziert wurden, insbesondere an Eric Thompsons Standardwerk von 1962. Im Unterschied zu diesen gedruckten Vorläufern ist die neue Ressource vollständig digital angelegt, dynamisch erweiterbar und als Open Access verfügbar. In den vergangenen Jahren wurden Fehlklassifikationen korrigiert, hunderte bisher nicht erfasste Zeichen ergänzt und neue epigraphische Funde integriert. Für alle dokumentierten Zeichen wurden neue, einheitliche Zeichnungen mit Fontcharakter erstellt, die eine konsistente visuelle Vergleichbarkeit ermöglichen und auch für weiterführende digitale Anwendungen für Unicode usw. nutzbar sind.
Ein zentrales Merkmal des Katalogs ist seine Transparenz: Verschiedene Lesungen werden nach klar definierten Kriterien bewertet, der Grad wissenschaftlicher Sicherheit wird eindeutig gekennzeichnet, und unterschiedliche Hypothesen sind nachvollziehbar dokumentiert. Damit bildet die Datenbank nicht nur den aktuellen Forschungsstand ab, sondern macht zugleich sichtbar, in welchen Bereichen Konsens besteht und wo Unsicherheit herrscht. Technisch liegen die Informationen im Zeichenkatalog als RDF-Tripel vor, während die Texte in XML/TEI kodiert sind und in der virtuellen Forschungsumgebung TextGrid gehostet werden.
Die digitale Umsetzung eröffnet Funktionen, die in gedruckten Katalogen nicht realisierbar waren. Mit leistungsfähigen Filter- und Suchwerkzeugen lassen sich Zeichenlisten nach Kriterien wie Fundort, Artefaktgattung, Materialität oder den Auftraggebern der Monumente generieren. So können spezifische Forschungsfragen – etwa zu einem einzelnen Monument, einer Stätte oder einem Herrscher – direkt in digitale Abfragen übersetzt werden.
Der Zeichenkatalog ist als dynamische Plattform angelegt und wird kontinuierlich erweitert. Feedback aus der Fachgemeinschaft ist ausdrücklich erwünscht, um fehlende Varianten, zusätzliche Literatur oder neue Funde zu integrieren. Auf diese Weise wächst die Datenbank als offene und kollaborative Ressource weiter.
Im Kontext der Digital Humanities zeigt das Portal, wie sich philologische und archäologische Quellen mit digitalen Verfahren modellieren, vernetzen und nachhaltig verfügbar machen lassen. Neben dem Zeichenkatalog bietet die Plattform weitere Module: ein Text- und Bildarchiv, ein Bildarchiv mit rund 20.000 historischen und aktuellen Aufnahmen, eine umfassende Bibliografie, Werkzeuge für Kalenderberechnungen und interaktive 3D-Modelle von Artefakten. Die enge Integration dieser Datenbanken eröffnet neue Möglichkeiten der Analyse und Kontextualisierung.
Ansprechpartner:
Dr. Christian Prager (Koordination) / Prof. Dr. Nikolai Grube (Leitung)
Projekt Textdatenbank und Wörterbuch des Klassischen Maya
https://classicmayan.org
Universität Bonn
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