Tagung „Digitale Rekonstruktionen mittelalterlicher Bibliotheken“ (Trier, 18./19. Januar 2013)

1 Veröffentlicht von Philipp Hegel am

Bei der Tagung „Digitale Rekonstruktionen mittelalterlicher Bibliotheken“ werden verschiedene Projekte vorgestellt, deren Ziel es ist, Bestände mittelalterlicher Bibliotheken, die heute weltweit zerstreut sein können, digital zusammenzuführen und zu erschließen. Auch werden Möglichkeiten aufgezeigt, diese Bestände wissenschaftlich zu nutzen und die vorhandenen Daten und Metadaten in übergreifende Portale einzuspeisen. Schließlich sollen die Anforderungen diskutiert werden, die aktuelle Arbeiten aus der Sprach- und Literaturwissenschaft, der Kunstgeschichte und der Musikwissenschaft an solche digitalen Rekonstruktionen stellen. Am 18. Januar 2013 wird in der Benediktinerabtei St. Matthias in Trier, am 19. Januar in der Stadtbibliothek Trier getagt. Ein Anmeldung ist nicht erforderlich.

Programm am 18. Januar 2013

Begrüßung

09:00 – 10:00: Grußworte von Abt Ignatius Maaß OSB, Prof. Dr. Michael Jäckel (Präsident der Universität Trier) sowie Prof. Dr. Martin Przybilski (Geschäftsführender Leiter des Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrums Trier)

Sektion I: Das Virtuelle Skriptorium und seine Kooperationsprojekte

Moderation: Prof. Dr. Andrea Rapp

10:00 – 10:45: Das Virtuelle Skriptorium St. Matthias
(Prof. Dr. Michael Embach, Prof. Dr. Claudine Moulin, Prof. Dr. Andrea Rapp)

Ziel des Projekts „Virtuelles Skriptorium St. Matthias“ ist es, den überlieferten Bestand an mittelalterlichen Handschriften aus der Trierer Abtei St. Matthias zu digitalisieren und damit virtuell zu rekonstruieren. Hierbei handelt es sich um eine Zahl von ungefähr 500 Kodizes, die weltweit auf etwa 25 Standorte verteilt sind. Die Digitalisierung soll einen Bestand zugänglich machen, der für ganz unterschiedliche Disziplinen von Wert ist. Mit einer derart rekonstruierten virtuellen Bibliothek ist die Absicht verbunden, das geistige Profil eines wichtigen Bildungszentrums und dessen Wachstum nachzuzeichnen und neuartige Einblicke in die Produktions- und Rezeptionsbedingungen seiner Bestände zu gewähren.

11:00 – 11:45: Textual Gridicism – Edieren mit TextGrid
(Florian Enders BA, Celia Krause M.A., Philipp Vanscheidt)

Digitalisierung ist nur ein möglicher Schritt bei der Erstellung digitaler Editionen. Bei der Erschließung eines mittelalterlichen Bibliotheksbestandes aber ist sie ein wesentliches Moment, an das sich weitere Schritte wie Transkription und Kommentierung anschließen. Aus diesem Grund werden die Faksimiles des „Virtuellen Skriptoriums St. Matthias“ auch in TextGrid eingespeist. Mit dieser virtuellen Forschungsumgebung für die Geisteswissenschaften ist ebenso ein Konzept für die Langzeitarchivierung verbunden wie die Möglichkeit, die Daten für Editionen mit einem Ensemble von elektronischen Werkzeugen zu bearbeiten. In dem Vortrag wird ein Überblick über TextGrid (www.textgrid.de) gegeben und eine Edition vorgestellt, die in dieser Umgebung entsteht.

11:45 – 12:30: Integration von eCodicology in die DARIAH Dienstewelt
(Danah Tonne M.Sc., Dr. Rainer Stotzka)

Im BMBF geförderten Projekt „eCodicology“ werden Methoden entwickelt und in Software implementiert, um makro- und mikrostrukturelle Elemente digitalisierter Handschriftenseiten automatisch zu messen, zu speichern und zu analysieren. Durch die Auswertung großer Mengen von Handschriften erhält der Kodikologe eine Datenbasis mit reproduzierbaren Merkmalen, mit denen Handschriftengruppen identifiziert, Kontinuitätslinien und Brüche aufgezeigt und Zusammenhänge zwischen Handschrifteninhalten und Layoutmustern entdeckt werden können.

Die automatische Auswertung birgt zusätzliche Anforderungen an die Infrastruktur, die den Geisteswissenschaften in der Regel selten zur Verfügung steht. Die Prozessierung einer Seite kann je nach Komplexität der Operationen bis zu mehrere Minuten auf einer Standard-Workstation benötigen. Schätzt man den Zeitaufwand auf ca. eine Minute pro Seite, dauert die einmalige Prozessierung des Virtuellen Skriptoriums St. Matthias mit ca. 170.000 Seiten ca. 4 Monate.

Zu diesem Zweck werden sowohl die Infrastruktur des vom BMBF geförderten Projektes TextGrid als auch der des europaweiten Projektes DARIAH genutzt. In diesem Vortrag wird die „Dienstewelt“ von DARIAH beschrieben und gezeigt, wie sich der Ablauf der automatischen Datenauswertung in DARIAH und TextGrid integriert und der Mehrwert für die kodikologische Forschung aufgezeigt.

Sektion II: Rekonstruktionen von Bibliotheken I

Moderation: Prof. Dr. Claudine Moulin

15:15 – 16:00: Bibliotheca Laureshamensis – digital: Präsentation der Virtuellen Klosterbibliothek Lorsch
(Alexandra Büttner M.A., Michael Kautz M.A.)

Das Digitalisierungs- und Erschließungsprojekt „Bibliotheca Laureshamensis – digital“ (www.bibliotheca-laureshamensis-digital.de) vereint auf der Grundlage der Studien Bernhard Bischoffs und Hartmut Hoffmanns alle bekannten Handschriften aus der Bibliothek und dem Skriptorium des ehemaligen Klosters Lorsch in einer virtuellen Bibliothek im Internet. Heute sind die 330 noch erhaltenen spätantiken und mittelalterlichen Handschriften auf 70 Institutionen in Europa und den USA verstreut. Die Zusammenführung der Lorscher Codices und Fragmente ermöglicht es, neben der Buchproduktion auch die kulturellen Grundlagen des Klosters und seiner Umwelt auf breiter Grundlage zu erforschen.

16:00 – 16:45: Tausend Jahre Wissen – Die Rekonstruktion der Bibliothek der Reichsabtei Corvey: Internetplattform – Digitalisierung – Wanderausstellung – virtuelle Ausstellung
(Anja Jackes M.A.)

Ein Forschungsprojekt des Lehrstuhls für Materielles und Immaterielles Kulturerbe UNESCO an der Universität Paderborn widmet sich der Rekonstruktion der seit zweihundert Jahren im Zuge der Säkularisation aufgelösten Klosterbibliothek Corvey, deren Gründung ins frühe 9. Jahrhundert zurück reicht. Der übergeordnete Aspekt des Projekts liegt bei der Erforschung des immateriellen Erbes Corveys und damit bei der Untersuchung der Klosterbibliothek als Aufbewahrungsstätte bedeutender geistiger Errungenschaften. Die Zielstellung des Forschungsprojektes ist die Rekonstruktion der heute nicht mehr als Ganze existierende Klosterbibliothek und zugleich die Erforschung der Wissensbestände, die über tausend Jahre hinweg in dem benediktinischen Kloster versammelt wurden und für Bildung, Lehre, Mission, Gottesdienst, aber auch für das alltägliche Leben und zur Unterhaltung der Mönche im Kloster zur Verfügung standen. Um die zerstreuten Corveyana wieder in ihren ursprünglichen Bibliothekskontext einzubetten, wurde die Internetplattform „Nova Corbeia“ aufgebaut, die als zentrale Schnittstelle die erhaltenen Buchbestände virtuell wieder zusammenführt. Insbesondere unikale Objekte wie die Handschriften, die heute weltweit zerstreut sind, werden in diesem Kontext am UNESCO Kompetenzzentrum volldigitalisiert und auf der Plattform für Wissenschaft, Forschung und Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Was über die im Internet zugängliche Datenbank virtuell geleistet wird, findet seine materielle Entsprechung in der Wanderausstellung „Tausend Jahre Wissen – Die Rekonstruktion der Bibliothek der Reichsabtei Corvey“, die an sechs Orten (Corvey, Bonn, Marburg, Ziesar, Münster und Fulda) in Deutschland gezeigt wurde, und zwar da, wo sich weitere Konvolute der Bibliothek nachweisen ließen, die jeweils in den Ausstellungen gemeinsam präsentiert wurden.

17:00 – 17:45: Die digitale Kaiser-Heinrich-Bibliothek der Staatsbibliothek Bamberg
(Dr. Stefan Knoch)

Die Staatsbibliothek Bamberg besitzt insgesamt rund 1.000 mittelalterliche Handschriften, von denen 165 nachweislich oder mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Bistumsgründer Kaiser Heinrich II. zurückgehen. Diese 165 Kodizes und Fragmente wurden bis zum Oktober 2012 sukzessive vom hauseigenen Fotografen der Staatsbibliothek Bamberg digitalisiert und mit technischer Unterstützung der Bayerischen Staatsbibliothek München im Internet frei zugänglich gemacht. Ein weiterer Mehrwert entsteht durch die Anreicherung der Digitalisate mit Strukturdaten, mit Beschreibungen zweier gedruckter Handschriftenkataloge in PDF und mit Daten der Forschungsdokumentation. Der Vortrag wird einen Überblick über die Hintergründe und Genese des Projekts sowie die Funktionen der digitalen Kaiser-Heinrich-Bibliothek geben.

17:45 – 18:30: Libri Sancti Kiliani digital: Technische Infrastruktur, Digitalisierung und vertiefte Erschließung der Würzburger Dombibliothek
(Dr. Hans-Günter Schmidt)

Die Würzburger Dombibliothek („Libri Sancti Kyliani“) gehört zu den bedeutenden mittelalterlichen Handschriftenensembles in Mitteleuropa. Ihre Wurzeln reichen bis in die Anfänge des 742 gegründeten Bistums Würzburg zurück, mit ältesten Handschriften aus dem 5. Jahrhundert. Bis heute ist die Dombibliothek für die Erforschung der Bildungsgeschichte des Frühmittelalters international von großer Bedeutung, insbesondere auch in der angelsächsischen und irischen Welt. Das 2010-2013 von der DFG geförderte Projekt „Libri Sancti Kiliani digital“ strebt an,

  1. den Dombibliotheksbestand der Universitätsbibliothek Würzburg vollständig digitalisiert im Internet zur Verfügung zu stellen,
  2. bereits vorliegende Katalog- und Dokumentationsdaten in ein vernetztes Lokalsystem zu überführen, zu erweitern und zu aktualisieren,
  3. neue Visualisierungstools und eine neuartige Nutzerschnittstellen zu erstellen, die in einem moderierten Wiki-System über Web Services ermöglicht, Informationen (z.B. Transkriptionen) von außen einzubringen und Daten auf Basis von Creative-Commons-Lizenzen für eigene Forschungen zu entnehmen.

Kernstück des Unternehmens ist der Aufbau einer neuen technischen Infrastruktur auf der Basis eines Workflowsystems, Metadatenstandards wie TEI P5 und METS und klassischer relationaler Datenbanken, die Vernetzung mit unterschiedlichen nationalen und internationalen Portalsystemen (z.B. Manuscripta Mediaevalia oder Europeana) zulässt und zugleich den Anschluss an Langzeitarchivierungssysteme ermöglicht. Der Vortrag berichtet vom Projektstand, von bereits auf www.libri-kiliani.de online gegangenen Projektbausteinen, aber auch von den Problemen und schwierigen Randbedingungen eines anspruchsvollen, knapp kalkulierten DFG-Projektes.

Programm am 19. Januar 2013

Sektion II: Rekonstruktionen von Bibliotheken II

Moderation: Prof. Dr. Claudine Moulin

09:00 – 09:45: The Nuns‘ Network. Editing the Medingen Manuscripts
(Prof. Dr. Henrike Lähnemann, Andres Laubinger)

Between 1479, the reform of the convent, and 1526, the Lutheran Reformation, the Medingen nuns produced a wealth of devotional manuscripts, for their own use and for feeding it into the regional network of the city and the convents of Lüneburg, using both Latin and Low German. All the prayer-books are interlinked by being based on the same set of material which is edited, amplified, commented and translated. The only adequate way of presenting this complex of textually and visually linked manuscripts is in digital form. The paper will present the “Medingen Manuscript” project (http://research.ncl.ac.uk/medingen); by using the example of prayer-books dedicated to the apostle Mathias and other saints, I will show how the digital presentation allows us to gain new insights in the linguistic and devotional set-up of this Northern German scriptorium.

09:45 – 10:30: Digital Libraries and Federated Searching: The Manuscripts Online Project
(Dr. Orietta Da Rold)

This paper will discuss a new Project “Manuscripts Online”. The outcome of this project can be described as a digital library on its own, as it was inspired by methodologies relating to data mining, data clustering, federated searching which are intertwined with detailed studies of medieval manuscripts, artefacts and texts. The project was founded by JISC, a UK national funding body, and is of relevance to researchers in the fields of language, literature and history. The Manuscripts Online website is developed and hosted by the Humanities Research Institute (HRI) at the University of Sheffield, under the direction of an Editorial Group which will comprise six members from the Universities of Birmingham, Glasgow, Leicester, York, Sheffield and Queen’s University Belfast. The project has the ultimate aim to study the written culture of medieval Britain between 1000 and 1500 by pulling together and providing access to written and early printed primary sources in this period. This project will bring together will bring together the necessary data for lager data analysis and interpretation.

Sektion III: Übergreifende Portale

Moderation: Prof. Andrea Rapp

10:45 – 11:30: Leben! Einzeln und frei … – Daten zu mittelalterlichen Handschriften an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
(Torsten Schaßan)

Anhand der Datenorganisation und der darauf aufsetzenden Verwendung von Daten zu mittelalterlichen Handschriften an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel soll gezeigt werden, wie die vorhandenen Informationen in anderen Kontexten, also auch zur Rekonstruktion von Bibliotheken, genutzt werden können.

11:30 – 12:15: Der Europeana Lizenzrahmen als Basis für Digital Humanities
(Patrick Peiffer)

Patrick Peiffer arbeitet mit dem Europeana Team im Auftrag der Nationalbibliothek Luxemburg am „Europeana Licensing Framework“, das seit Herbst 2011 operationell und online ist. Der Vortrag wird anhand des Luxemburger Beitrags zu Europeana Regia und der virtuellen Rekonstruktion eines Manuskriptes die Schlüsselaspekte der (vertrags)-rechtlichen Standardisierung ansprechen und anschliessend die aktuellen Vorgaben des „Europeana Licensing Framework“ vorstellen: Public Domain Charter, Public Domain Mark und Data Exchange Agreement (http://pro.europeana.eu/licensing).

Sektion IV: Nutzen rekonstruierter Bibliotheken

Moderation: Prof. Michael Embach

13:30 – 14:15: Die althochdeutsche Überlieferung aus St. Matthias
(Falko Klaes)

Im Vortrag wird die mutmaßlich aus St. Matthias stammende althochdeutsche Überlieferung vorgestellt. Aus St. Matthias sind insgesamt vier Glossenhandschriften, eine Handschrift mit den Wind- und Monatsbezeichnungen der Karls-Vita Einhards und die „Trierer Verse“ überliefert. Diesen und dem bekannten Glossar aus der Handschrift 61 des Priesterseminars Trier soll besondere Aufmerksamkeit zuteil werden.

14:15 – 15:00: LapiDat – LAPIDARIUM der Abtei St. Matthias in Trier
(Prof. Dr. Gottfried Kerscher, Peter Pfeiffer M.A.)

Das Lapidarium von St. Matthias war bisher nur wenigen bekannt. Es enthält weit mehr als tausend Artefakte vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart, darunter nicht nur Bruchstücke mit Ornamenten, sondern Figuren, ein Portal und weitere, zumeist in Zusammenhang mit Restaurierungen abgenommene Stücke. Etwa 600 Exponate wurden in einem ersten Durchgang zusammen mit den Studierenden der Universität Trier erfasst, von diesen sowie Frau stud. phil. A. Molter und Herrn P. Pfeiffer M.A., beide Projektmitarbeiter, sowie dem Fotografen des VBB des Fachbereiches III, Herrn A. Thull, in die Datenbank eingestellt. In einem zweiten Schritt solle eine genauere Bestimmung, Datierung und Zuordnung einzelner Stücke erfolgen. Das Projekt soll nicht nur der Restaurierung des Kreuzgangs von St. Matthias dienen, sondern später in eine Ausstellung münden bzw. der Forschung zugänglich sein.

Dafür hat Herr Pfeiffer eine entsprechende Datenbank erstellt. Diese wird hinsichtlich ihres Aufbaus und in ihrer Funktionsweise kurz erläutert. Für die Unterstützung bei den nicht ohne Weiteres von Seiten der Universität Trier zu realisierenden Arbeitsgänge danken wir dem HKFZ.

15:15 – 16:00: Ein mittelalterliches Euchariumsoffizium aus dem 17. Jh. – Überlieferung eines lokalen Heiligenkultes in der Trierer Liturgie
(Kristin Hoefener)

Im Skriptorium der Trierer Sankt-Matthias-Abtei wurden auch nach der Einführung des Buchdruckes noch Papierhandschriften hergestellt, u.a. ein Benediktionale, das heute in der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars (Hs. 14) aufbewahrt wird. Die Handschrift aus dem Jahre 1667 überliefert eine Vesper und eine Messe zu Ehren des hl. Eucharius. Wenn dieses Offizium aus Sankt-Matthias mit den Texten eines Liber ordinarius des Trierer Doms aus dem 14. Jh. (London, British Library Harley 2956) verglichen wird, kann festgestellt werden, dass die Vespergesänge – alles Eigengesänge, deren Texte u.a. auf einer Vita s. Eucharii basieren – zwischen dem 14. und dem 17. Jh. nahezu unverändert geblieben sind. Die Messe dagegen überliefert, abgesehen von den Sequenzen, kein Eigenmaterial, sondern nur Gesänge aus dem Commune martyrum. Es sollen Trierer Eigengesänge präsentiert werden mit dem Ziel, eine lokale Patronatsliturgie und deren Bedeutung in der Kontinuität der Jahrhunderte vorzustellen.

16:00 – 16:45: Neumen und Neumentrennung – Herausforderungen in der Arbeit im Optical Neume Recognition Project (ONRP)
(Dr. Inga Behrendt)

ONRP (http://www.cs.bham.ac.uk/~aps/research/projects/neumes/project-description.php) ist ein interdisziplinäres Projekt von Computerwissenschaftlern (Alan Sexton) und Musikwissenschaftlern (Kate Helsen, Jennifer Bain, Inga Behrendt) aus Kanada, England und Deutschland, das die Erstellung einer Lesehilfe in Scans der Handschrift Hartker (Stiftsbibliothek St. Gallen – CH-SG 390/391, sogenannte St. Galler Neumennotation) von um 1000 mit Neumennotation hat: Einzelne Notationszeichen (Neumen), Neumengruppen und Neumen kombiniert mit Text sollen mithilfe eines Computerprogramms in den digitalen Bildern der Handschrift gesucht werden können.

Das umfassende System, das in den nächsten Jahren erstellt werden soll, ist für die Computertechnik der Optischen Wiedererkennung eine herausfordernde Aufgabe. Ein Aspekt der Arbeit ist, in den Scans alle verbundenen Komponenten zu isolieren und zu gruppieren, etwa 70 verschiedene Einzelzeichen. In der Notation bestehen jedoch die Notationszeichen, genannt Neumen, zum Teil aus einzelnen Komponenten und mehrheitlich aus mehreren Komponenten. Es gibt demnach etwa 70 Komponenten, aber sehr viel mehr Neumen, insbesondere wenn als Neume alle Zeichen über einer Textsilbe definiert sind (Göschl).

Die Modifikation der Neumenschreibweise sowie die Kombination von mehreren Neumenzeichen über einer Silbe haben verschiedene rhythmische Bedeutungen, wie die semiologische Erforschung der Neumennotation durch komparative Studien beschrieben hat. Ein Phänomen des rhythmischen Bedeutungswandels von Zeichen wird Neumentrennung genannt, und soll möglichst ebenfalls mit dem System „gelesen“ werden können.

Abschlussdiskussion (16:45 – 17:00)

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