Stellungnahme des Verbands DHd zum Referentenentwurf Urheberrecht

0 Veröffentlicht von Thomas Stäcker am

Im Auftrag des Vorstands erarbeitet von der DHd-AG Digitales Publizieren (Februar 2017)

Der Verband Digital Humanities im deutschsprachigen Raum e.V. (DHd) nimmt den Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zum Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz – UrhWissG) zum Anlass, aus Sicht der durch den Verband vertretenen Fachgesellschaft Stellung zu beziehen.

Es besteht mittlerweile ein breiter Konsens, dass die Digitalisierung erheblichen Einfluss nicht nur auf alle gesellschaftlichen und kulturellen Belange, sondern auch auf Wissenschaft und Forschung hat. Hier sind nicht nur naturwissenschaftliche und technische Fächer, sondern auch die Geisteswissenschaften in besonderer Weise betroffen. Digitale Verfahren und Methoden, wie sie in den Digital Humanities entwickelt und vorangetrieben werden, geben der Forschung Instrumente an die Hand, um zentrale Prozesse und Phänomene von Geschichte und Gesellschaft in neuem Lichte zu untersuchen und Antworten auf zentrale Fragen von Wissenschaft und Kultur zu finden, die mit traditionellen Mitteln kaum hätten gestellt, geschweige denn beantwortet werden können.

Ausgangspunkt aller Forschungen der Digital Humanities sind Daten, die in maschinenlesbarer Form vorliegen, seien es Datenbanken, digitalisierte Texte, Noten, Bilder, 3D-Repräsentationen oder sonstige audiovisuelle Medien. Umgekehrt nutzen die Digital Humanities nicht nur Daten, sondern erzeugen sie auch, durch Datenbereitstellung im Netz ebenso wie durch elektronische Publikationen, so dass in einem Research Data Life Cycle  Forschungsprozesse digital abgebildet werden und perspektivisch über das Internet vernetzte Forschungsinfrastrukturen entstehen können. Zentrale Voraussetzung all dieser Prozesse ist der freie und ungehinderte Zugang zu diesen Daten. Der DHd Verband spricht sich daher ausdrücklich für Open Scholarship und Schaffung von ungehindertem Zugang zu allen forschungsrelevanten Daten aus.

Mit dem Referentenentwurf wird ein Versuch unternommen, über Schrankenbestimmungen die aus dem analogen Zeitalter herrührenden Urheberrechtsbestimmungen auch für eine digital arbeitende Wissenschaft nutzbar und damit zukunftsfähig zu machen. DHd begrüßt diesen Prozess und das Bemühen, die unterschiedlichen Interessen in Einklang zu bringen.  Im Einzelnen sind aus Sicht des Verbandes und seiner Mitglieder folgende Punkte essentiell:

  • Es müssen klare Erlaubnistatbestände für die Nutzung von Daten im Sinne der oben genannten Bedeutung formuliert sein, damit weder Universitäten oder Gedächtnisinstitutionen noch Einzelforscherinnen und -forscher fürchten müssen, das Urheberrecht zu verletzen.
  • Urheberrechtlich geschützte Daten sind im Rahmen von klar definierten Forschungsumgebungen uneingeschränkt zugänglich zu machen. Bibliotheken, Archive, Museen, Bildungseinrichtungen und Datenzentren müssen das uneingeschränkte Recht erhalten, Daten zum Zwecke von Forschung und Wissenschaft langfristig zu archivieren, aufzubereiten (z.B. zum Zwecke der Erstellung eines Index, Text- und Datamining) und auch zur nicht-kommerziellen wissenschaftlichen Nutzung weiterzugeben, um dadurch die von der Forschungsgemeinschaft gewünschte Nachhaltigkeit und Nachnutzbarkeit von erschlossenen oder aufbereiteten Datenbeständen zu gewährleisten.
  • Gedächtnisinstitutionen (Bibliotheken, Archive, Museen) müssen das Recht erhalten, ihre Bestände zu digitalisieren und im Sinne der EU Richtlinie 2003/98/EG über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors ohne einschränkende Maßnahmen on campus oder online zugänglich machen.
  • Daten, deren Erzeugung mit öffentlichen Mitteln gefördert wurde (vgl. die europäischen Rahmenbedingungen in H2020), sind der Forschung unentgeltlich wieder zur Verfügung zu stellen. Zugleich sollten interessenunabhängige Verfahren etabliert werden, um die Aufwendungen von Verlagen und Dienstleistern angemessen zu vergüten, ohne Forschung und Wissenschaft zu behindern. Dazu gehören pauschale Vergütungsregelungen ebenso wie die Einführung von zeitlichen Schranken der exklusiven kommerziellen Verwertbarkeit von wissenschaftlichen Beiträgen (moving wall).
  • Auf europäischer Ebene sind Rahmenbedingungen zu schaffen und in die nationale Gesetzgebung zu integrieren, die internationale Forschung im Sinne der Digital Humanities befördern und einen sicheren europäischen Rechtsrahmen für die Nutzung der mit Mitteln der öffentlichen Hand generierten Daten schaffen (vgl. den Vorschlag für eine EU Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt COM (2016) 593 und die Single Market Strategie bzw. insbesondere die PSI Strategie der EU).
  • Gesetzliche Schrankenregelungen sollten nicht durch einseitige Maßnahmen wirtschaftlich starker Akteure (z.B. Lizenzangebote, technische Schutzmaßnahmen) zu Ungunsten der von den Schranken begünstigten Nutzenden unterlaufen werden können (vgl.§ 95b Absatz 3 UrhG).

Der Referentenentwurf adressiert viele dieser Punkte, die für eine moderne und zukunftsfähige Forschung und Forschungsinfrastruktur unverzichtbar sind, und wird vor diesem Hintergrund seitens des DHd-Verbandes als ein erster wichtiger Schritt ausdrücklich begrüßt.

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